Tierschutz ist Staatsziel und unser aller Aufgabe:
Wir brauchen ein neues Verständnis und die gemeinschaftliche
Verantwortung der Gesellschaft
Nationale Nutztierstrategie und Staatliches Tierwohllabel können
entscheidende Instrumente werden
1. Tierschutz hat Verfassungsrang und ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen ihr gemeinsam nachkommen!
Mit den im Grundgesetz verankerten Staatszielen definiert unsere
Verfassung Aufgaben von hervorgehobener Bedeutung an den Staat, also
an die Gesamtheit der hier lebenden Menschen. Eines von fünf
Staatszielen ist seit 2002 der Tierschutz, Art. 20a GG. Während sich
bei anderen Staatszielen („Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“
oder „Tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und
Männern“) die gesamte Gesellschaft verantwortlich und aufgefordert
sieht, ist das beim Schutz der Tiere nicht so. Der Schutz unserer
Haustiere wird öffentlich kaum thematisiert und allein den Haltern
überlassen. Bei unseren Nutztieren, die in besonderer Weise zu
unserer Ernährung beitragen, werden in der Regel Landwirte und
Tierhalter als allein Verantwortliche gesehen.
Die vom Staatsziel im Grundgesetz ausgehende Gesamtverantwortung
wird von der Gesellschaft heute weder empfunden noch gelebt. Das muss
sich ändern! Wir brauchen ein neues Verständnis dafür, dass
Tierschutz unser aller Aufgabe ist. Unsere Tierhalter sind willens
und in der Lage, kontinuierliche Tierschutzfortschritte in der
Nutztierhaltung zu realisieren. Um dabei im globalen Wettbewerb nicht
auf der Strecke zu bleiben, brauchen sie dafür aber die Bereitschaft
unserer Gesellschaft insgesamt, die Tierhalter in der
gemeinschaftlichen Verantwortung für das wichtige Staatsziel Tierwohl
zu unterstützen.
Das bedeutet zum Beispiel: Wenn Politiker den Tierhaltern
ordnungsrechtliche Auflagen erteilen, müssen sie den Rest der
Gesellschaft an deren Realisierung beteiligen, konkret an der
Finanzierung für erforderliche Mehraufwendungen. Wenn sich der
Lebensmitteleinzelhandel mit einem über den gesetzlichen Standard
hinausgehenden Tierschutz-Mehrwert seiner Markenprodukte beim
Verbraucher interessant machen will, muss er diesen Mehraufwand dem
Tierhalter auch bezahlen. Das gilt schließlich am Ende der
Lebensmittelkette auch für die Verbraucher, die – durch das
Grundgesetz verpflichtet – an der Ladentheke geringfügig mehr Geld
auf den Tisch legen müssten. Bei der EEG-Abgabe für den Klimaschutz
ist das inzwischen gesetzlich erzwungene Selbstverständlichkeit. Bei
Lebensmitteln klaffen Umfragewerte und reales Kaufverhalten nach wie
vor weit auseinander.
2. Die Nationale Nutztierstrategie muss als
Realisierungsinstrument und Zukunftsallianz kurzfristig konkret und
verbindlich werden! Deutschland braucht zur Realisierung des
Staatszieles Tierschutz einen inhaltlichen und zeitlichen Plan, der
von der Breite der Gesellschaft getragen wird. Die Nationale
Nutztierstrategie bietet die große Chance, sich zwischen Bund und
Ländern, Tierschutz- und Tierhaltungsverbänden, Bauern- und
Verbraucherschutzverbänden unter Beteiligung von Naturschutz-,
Wissenschafts- und Kirchenvertretern konkret und verbindlich auf eine
deutsche Zukunftsallianz für nachhaltigen und praktikablen Tierschutz
zu einigen und so für einen Zeitraum von zum Beispiel 15 Jahren
Planungssicherheit für die gesamte Wertschöpfungskette zu schaffen.
Deswegen braucht die Nationale Nutztierstrategie ab sofort eine klare
Organisationsstruktur mit definierten Zeitabläufen und verbindlicher
Geschäftsordnung.
Tierschutz muss für alle an der Nutztierstrategie Beteiligten
Priorität haben. Zielkonflikte mit Tierseuchen-, Bau- oder
Emissionsrecht müssen von Praxis, Wissenschaft und Politik
interdisziplinär und interministeriell aufgelöst werden. Weltweites
und europäisches Tierschutzrecht muss dringend auf die führenden
deutschen Standards gehoben und harmonisiert werden. Eine
Tierschutz-Zukunftsallianz wird nur gelingen können, wenn die Debatte
von Transparenz und Fakten bestimmt ist, nicht von einfachen
politischen Stichtagsregelungen. Folgeabschätzungen und
Indikatoren-Auswertung nach Erfüllung von neuen Tierschutz-Auflagen
sind unumgänglich. Der Wissenschaft kommt für den Erfolg eine
zentrale Rolle zu.
Die bundesweite Nutztierstrategie darf nicht als Instrument zur
Abschaffung der bisher objektiv gar nicht definierten
„Massentierhaltung“ verstanden werden. Wenn darüber Einigkeit besteht
oder hergestellt wird, kann sie ein Erfolgsmodell für unser
Tierschutz-Staatsziel werden. Nur dann kann sie die ganze
Wertschöpfungskette zukunftssicher machen und für sichere, regional
produzierte tierische Lebensmittel sorgen, die den Mehrwert
„Tierschutz“ in sich tragen. Sie kann in diesem Sinne Basis für ein
nationales staatliches Tierwohllabel werden.
3. Ein staatliches Tierwohllabel muss verlässliche Breitenwirkung
entfalten – für Verbraucher und Nutztiere gleichermaßen! Die am Markt
verfügbaren Tierwohllabel verschiedener Anbieter erreichen nur
geringe Marktanteile, bedingt durch die erforderlichen
Verbraucherpreis-Aufschläge. Ihre positive Tierschutzwirkung kommt
daher nur einer relativ kleinen Zahl von Nutztieren zugute. Mit Blick
auf ein Staatliches Tierwohllabel zielführend ist ein
Label-Tierschutzstandard mit verlässlicher Breitenwirkung, der einer
großen Zahl von Nutztieren zugutekommt, in seiner Ausgestaltung dafür
zunächst etwas weniger anspruchsvoll ist. Dieser Weg ist mit der
wirtschaftsseitig von Tierhaltern, Vermarktern und
Lebensmitteleinzelhandel (LEH) getragenen Initiative Tierwohl (ITW)
erfolgreich realisiert worden.
Bei der ITW zahlt der LEH in einen Fonds ein, aus dem die
Tierhalter ihre Mehrkosten für z.B. geringere Besatzdichte und mehr
Beschäftigungsmaterial zum Teil erstattet bekommen. Dabei profitieren
in der neu begonnenen Programmphase 2018 bis 2020 rund 23 Prozent der
Mastschweine, über 60 Prozent der Puten und knapp 70 Prozent der
Hähnchen von den erhöhten Tierwohl-Anforderungen. Im Jahr 2018
umfasst das ITW-System damit im Zuge der Einführung der partiellen
Nämlichkeit 492 Millionen Hähnchen und Puten – die ITW entfaltet
damit eine große Tierschutz-Breitenwirkung in deutschen Ställen.
Diese Nämlichkeit gibt den Konsumenten die Gewissheit, dass das
erworbene Fleisch tatsächlich aus Mitgliedsbetrieben der ITW kommt.
Darauf sollte ein staatliches Tierwohllabel systematisch aufbauen. Es
müsste neben den ITW-Tierschutzanforderungen für die Eingangsstufe
auch die Fondslösung übernehmen. Tierhaltern und Vermarktern muss die
vollständige und sichere Erstattung der Aufwendungen für alle
Tierschutz-Fortschritte garantiert werden. Die Wettbewerbsfähigkeit
deutscher Betriebe würde so gesichert. Eigenkontrolliert durch das
wirtschaftsseitig getragene QS-System entstünde so aus dem Stand und
sofort umsetzbar ein praktikables Tierwohllabel-System mit möglicher
Herkunftskennzeichnung. Es käme Millionen von Nutztieren unmittelbar
zugute, wäre dynamisch und nach Bedarf in den Anforderungen
fortzuentwickeln.
Das Sondierungspapier von Union und SPD macht diesbezüglich
Hoffnung. Dort heißt es: „Die Erkennbarkeit von tierischen
Lebensmitteln, die über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung
hinausgehen, wollen wir verlässlich, einfach und
verbraucherfreundlich gestalten. Dazu brauchen wir den mehrstufigen
Ausbau einer staatlichen Kennzeichnung anhand verbindlicher Kriterien
für Fleisch aus besserer Tierhaltung (Tierwohllabel). Der Mehraufwand
muss honoriert werden.“ Die Arbeitsgruppe „Tierwohllabel“ im Rahmen
der Nationalen Nutztierstrategie kann auf dieser Basis morgen mit
ihren Sitzungen beginnen. Wir sind dabei!
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