ZDF-Magazin „Frontal 21“: Tausende Stellen an Grundschulen unbesetzt / Experte: Rechtsanspruch auf Ganztagsschulplatz ist „Wählerbetrug“ (FOTO)

Der Lehrermangel an deutschen Grundschulen ist gravierender als
bislang angenommen. Das ergibt eine Umfrage der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW) für das ZDF-Magazin „Frontal 21“
(Sendung am Dienstag, 30. Januar 2018, 21.00 Uhr). Danach fehlen
deutschlandweit rund 2000 Grundschullehrer. Außerdem mussten mehrere
tausend Quer- und Seiteneinsteiger eingestellt werden, um den
Unterricht gewährleisten zu können. „Das ist natürlich ein Drama,
weil es zu Lasten der Schülerinnen und Schüler geht und zu Lasten der
vorhandenen Lehrkräfte“, kommentierte Marlis Tepe, GEW-Vorsitzende,
die Ergebnisse. Die Bildungsgewerkschaft hat im Januar in allen
GEW-Landesverbänden Zahlen zu unbesetzten Stellen und Nachbesetzungen
abgefragt. Ohne Seiteneinsteiger sei der Grundschulunterricht in
einigen Bundesländern kaum noch aufrechtzuerhalten, kritisiert
Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband. „Das ist natürlich
eine skandalöse Entwicklung.“ In Berlin und Sachsen seien 50 Prozent,
manchmal über 80 Prozent der Neueinstellungen im Grundschullehramt
keine Lehrer, sondern Quereinsteiger.

Ursachen für die Misere an den Grundschulen sind nach Auffassung
von Experten schlechte Planungen der Kultusminister der Länder. Trotz
steigender Geburtenraten seien zu wenig Lehrer ausgebildet und
eingestellt worden. Die Umstellung auf Bachelor- und
Masterstudiengänge an den Hochschulen habe das Problem verschärft, so
Jörg Ramseger, Professor für Grundschulpädagogik an der Freien
Universität Berlin: „Es hat die Kultusminister schon damals
schlichtweg nicht interessiert.“ Tatsächlich wurden nach Angaben des
Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Deutschland im Jahr 2016
mehr als 100.000 Kinder mehr geboren als 2005. Dennoch wurde die Zahl
der Studienplätze für Grundschullehrer reduziert. An der Freien
Universität Berlin beispielsweise seien die Immatrikulationen von 200
pro Jahr auf zwischenzeitlich 60 bis 70 pro Jahr gesunken. „Bei 340
Grundschulen in der Stadt kann man sich ausrechnen, was passiert“,
sagte Ramseger.

Angesichts dieser Zahlen hält Ramseger den im Sondierungspapier
versprochenen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz für
unrealistisch: „Das ist bestenfalls ein Selbstbetrug, allemal ein
Wählerbetrug.“ Es sei völlig undenkbar, dass das Recht auf
Ganztagserziehung in der Grundschule zu realisieren sei. „Das
Personal wird nicht zur Verfügung stehen. Ich würde so etwas als
Politiker nicht versprechen.“ Im Sondierungspapier haben SPD und CDU
3,5 Milliarden Euro für bessere Bildung eingeplant. Das ist aus Sicht
der Bildungsgewerkschaft GEW angesichts des Lehrermangels und des
Sanierungsstaus an Schulen zu niedrig. „Um den Durchschnitt der
OECD-Länder zu erreichen, brauchten wir so etwas wie 40 Milliarden,“
forderte GEW-Chefin Tepe im ZDF.

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