Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Westmächte beim Gipfel:

Am Anfang standen die G 6. Das war 1976. Ein
Jahr später wurde daraus durch den Beitritt Kanadas die G 7. 1998
erhöhte Russland auf G 8. Heute fahren 23 Staaten zum G 20-Gipfel.
Man sollte annehmen, dass das Ergebnis einer Konferenz um so stabiler
ist, je mehr Säulen es stützen. Tatsächlich ist es anders herum: Je
mehr Stimmen mitsingen, desto größer ist die Gefahr von Dissonanzen.
Um der Wahrheit gerecht zu werden, ist es aber weniger die große Zahl
der Teilnehmer als die wachsende Distanz in den etablierten Blöcken,
die Einigungen erschwert. Die Interessen vor allem der mächtigen und
einflussreichen Industriestaaten gehen zu Beginn des Gipfels in der
südkoreanischen Hauptstadt Seoul weit auseinander. Was einst ein
Block war, im Kern G 6, bröselt. Das gilt in erster Linie in der
Währungsfrage. Neben China halten auch die USA die Währung schwach,
um ihre Handelsbilanz zu verbessern. Barack Obama und die
US-Notenbank spielen sogar mit der Rolle des Dollars als
Weltleitwährung. Die Volksrepublik hat ähnliche Motive. Offenbar
vertraut Peking der Stärke der eigenen Wirtschaft selbst nicht und
will die Exporte durch einen schwachen Yüan weiter verbilligen.
Leidtragende könnten am Ende die europäischen Exportnationen sein. Es
gibt keine Garantie, dass Washington und Peking in dem Fall, dass
sich der Kampf zuspitzt, bei der Währung halt machen. Beginnt das
Karussell der Schutzzölle und anderen Handelshemmnisse aber erst
einmal zu drehen, könnte sich das Ausmaß der Auseinandersetzungen,
die man besser nicht »Krieg« nennen sollte, hochschaukeln. Daher ist
wohl auch aus deutscher Sicht ein nicht ganz schlechter Kompromiss in
Seoul besser als gar keiner. Zu Beginn ging es bei der US-Forderung,
Deutschland und China müssten ihre Exporte drosseln, ums Eingemachte.
Eine solche Maßnahme hätte Starke bestraft. Zum Glück hat die
Bundeskanzlerin die Exportbremse verhindert. Gefahren für die
Weltwirtschaft gehen eindeutig von den Schwachen aus – oder von
Staaten, die in einer Schwächephase stecken. Recht hat Angela Merkel
auch mit ihrer Forderung, die Phase des allgemeinen Schuldenmachens
müsse vorbei sein. Sie muss jedoch sehr aufpassen, damit in Südkorea
mehr herauskommt als nichts sagende Absichtserklärungen. Die Fragen
von Währung und Konjunktur sind so schwerwiegend, dass das Thema
»Neuregelung der Finanzmärkte« in Seoul möglicherweise unter den
Konferenztisch fällt. Je größer der Abstand zur Krise, desto kleiner
wird der Druck auf die Entscheidungsträger. Genau dies aber schafft
die Grundlage für die nächste Weltwirtschaftskrise. Es führt auf dem
Gipfel kein Weg an strengeren Eigenkapitalregeln für die Banken und
an Basel III vorbei. Für eine internationale Steuer auf alle
Finanztransaktionen ist die Welt dagegen offenbar noch nicht reif.

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