Manche Kriege wollen nicht enden. Zwar ist der
Kalte Krieg längst vorbei, doch Tschechen und Deutsche haben lange in
einer politischen Eiszeit gelebt. Misstöne, Widersprüche und Streit
haben das deutsch-tschechische Verhältnis zu lange belastet. Das soll
nun vorbei sein. Zwei Politiker haben gezeigt, dass Versöhnung,
Verständigung und Freundschaft trotz einer bitteren Vergangenheit
möglich sind. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer und der
tschechische Regierungschef Necas haben »ein neues Kapitel« in den
Beziehungen beider Länder aufgeschlagen. Sie wollen die Konflikte der
Vergangenheit hinter sich lassen und den Blick in die Zukunft
richten. Das ist löblich und seit langem überfällig. Denn Feindschaft
und Argwohn gehören nicht in eine Europäische Union, die Demokratie
und Völkerverständigung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Gründe für
Zwietracht und Argwohn gab es auf beiden Seiten: Die Tschechen haben
unter der Nazi-Herrschaft furchtbar gelitten, die Deutschen wurden
1945 enteignet und vertrieben. Allein im Frühjahr 1945 wurden 800 000
Menschen in grausamen Gewaltmärschen über die Grenze getrieben. Viele
fanden dabei den Tod. Dennoch haben sich beide Seiten um Versöhnung
bemüht. So verzichtete die Charta der Vertriebenen schon 1950 auf
»Rache und Vergeltung«. 1997 hat sich die deutsche Regierung zur
Verantwortung Deutschlands und zum Leid bekannt, das der
Nationalsozialismus über seine Nachbarn brachte. Die tschechische
Regierung bedauerte, dass »durch die Vertreibung und Enteignung
unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde«. Beide
Völker gingen auf einander zu. Doch die Benes-Dekrete haben die
Versöhnung blockiert. Der tschechoslowakische Ministerpräsident Benes
hatte sie 1945 erlassen, um die Vertreibung und Enteignung der
Sudetendeutschen zu rechtfertigen. Die Vertriebenen haben die Dekrete
für Unrecht erklärt und deren Rücknahme gefordert. Die Tschechen
wiederum halten die Dekrete für eine Folge der deutschen Verbrechen
während der Nazi-Okkupation und erklären sie für »aufgebraucht«. Eine
abschließende Einigung kam nie zustande. Nun haben Seehofer und Necas
die Vergangenheit ruhen lassen und einen Neuanfang gewagt. Der
Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, zeigt
sich ebenfalls kompromissbereit. Er hat auf sein früheres Eigentum in
Tschechien verzichtet und wird von den tschechischen Medien als
Gesprächspartner geschätzt. Nun steht die Forderung nach Rücknahme
der Benes-Dekrete der Versöhnung nicht mehr im Wege. Die
Gemeinsamkeiten der europäischen Politik, Wirtschaft und Politik
bilden eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche
deutsch-tschechische Zukunft. Benes-Dekrete, Nazi-Verbrechen und
Feindschaft gehören in die Geschichtsbücher. Das ist die gute
Nachricht aus Prag, die uns zum Weihnachtsfest erreicht.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261