Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Blatter-Rücktritt

Jetzt wussten sie es alle irgendwie schon
immer, dass ausgemistet werden muss – und zwar dringend. Joseph
Blatter war der einzige Bremsklotz, der den Weg zu Transparenz und
Integrität im Fußball blockiert hat. Jetzt endlich kann die
Politik die Federführung übernehmen, den Fußball zur Reinheit in
Sachen Korruption zu führen. Das meint auch EU-Kommissar Tibor
Navracsics. »Nach so vielen verfehlten Gelegenheiten und dem völligen
Verlust des Vertrauens in die Fifa glaube ich, dass wir einen
grundsätzlichen Wandel unterstützen und sicherstellen sollten, dass
beständige Lösungen zum Tragen kommen.« Der Ungar prüft nun, wie die
EU »die große Bedrohung für die Integrität« des Sports bekämpfen
könnte. Nun muss man wissen, dass Navracsics der Partei »Fidesz«
angehört, die, gelinde gesagt, einen etwas befremdlichen Umgang
schon mit einer freien Meinungsäußerung pflegt.

Auch Heiko Maas (»Wenn bei den WM-Vergaben Schmiergelder
geflossen sind, müssen die Entscheidungen neu überdacht werden«),
Thomas de Maizière (»Verkrustungen aufbrechen, Transparenz
garantieren, Vetternwirtschaft verhindern«) und Angela Merkel (»Jetzt
wird es besser möglich sein, die Arbeit der Fifa auf eine
transparente Grundlage zu stellen«) positionierten sich. Das schon
im Jahr 2006 bekannte Problem Fifa/Korruption störte die
Kanzlerin übrigens nicht, einem gewissen Sepp Blatter am 7. Juli
freudestrahlend das Bundesverdienstkreuz zu überreichen.

Und dann erst die Nachfolgekandidaten, die ins Gespräch gebracht
werden! Luis Figo, Ex-Fußballer, null Erfahrung im Managen von
Verbänden, aber Markenbotschafter eines Großsponsors. Michel
Platini, Ex-Fußballer und Uefa-Präsident. Der stimmte erst für Katar,
merkte dann, dass es dort im Sommer sehr warm wird – er merkte es
aber erst, als sein Sohn Laurent einen Posten in der Region sicher
hatte. Das erinnert an Blatters Neffen Philippe, der für Infront
(Fußballrechtevermarkter) arbeitet – mit dem Unternehmen hat auch
ein gewisser Herr Netzer etwas zu tun. Dann fiel der Name Gary
Lineker: launiger Sprücheklopfer, aber sonst? Über Michael van
Praag, den niederländischen Fußball-Boss, ist zumindest nichts
Negatives bekannt. Versuchen will es wieder David Ginola. Der
brachte vor der letzten Wahl nicht mal die fünf Stimmen zusammen, um
sich überhaupt um Blatters Erbe bewerben zu dürfen. Und die
deutschen Medien setzen auch auf den »Kaiser«. Gegen Franz
Beckenbauer ermittelt die Fifa-Ethikkommission.

Mit Blatters Rücktritt ist der erste Schritt für einen Neuanfang
gemacht. Allerdings macht das, was derzeit diskutiert wird, wenig
Hoffnung auf Besserung. Es darf bloß nicht so weit kommen, dass man
sich bei der nächsten Wahl einen Kandidaten Blatter wünscht.

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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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