US-Präsident Barack Obamas Bericht zur Lage der
Nation 2011 ist visionär. Um Amerika konkurrenzfähig zu halten,
fordert er mehr Ausgaben für Bildung, Forschung, Entwicklung und
Innovationen. Diese Bildungsoffensive folgt dem Besuch des
chinesischen Präsidenten Hu Jintao auf dem Fuße. Denn die indische,
brasilianische oder chinesische Konkurrenz schläft nicht. Das hat man
in Amerika klar erkannt. Die Zukunftsvision mit innovativen
Technologien klingt plausibel: Forschung und Entwicklung entscheiden
über den zukünftigen Wohlstand eines Landes. Obama sieht hier große
Chancen für Amerika, und er hat Recht. Doch die Frage bleibt, wie die
neuen Investitionen finanziert werden. Denn der US-Haushalt ist
katastrophal verschuldet, neue Steuern sind politisch undenkbar, und
die geplanten Kürzungen schaffen wenig Freiraum. »Wir können die
Zukunft nicht mit einer Regierung erobern, die in der Vergangenheit
steckt«, rief Obama dem Kongress zu. Wie wahr! Doch Obama bleibt ein
Gefangener der Geschichte: Sein gigantisches Militärbudget stammt aus
dem Kalten Krieg und verhindert die Freisetzung frischer Gelder für
Forschung und Entwicklung. Hier steht sich Amerika selbst im Wege.
Die USA produzieren etwa 25 Prozent des Weltsozialproduktes, zugleich
übersteigen die jährlich knapp 700 Milliarden US-Militärausgaben den
gesamten Verteidigungshaushalt der Restwelt. Diese gewaltigen Kosten
belasten Amerika und verursachen Verschwendungen öffentlicher Gelder.
Doch die Größe des US-Militärhaushaltes wird weder hinterfragt noch
debattiert. Denn wer bedroht heute die Sicherheit der Vereinigten
Staaten? Welche Feinde rechtfertigen derart enorme Rüstungsausgaben?
Die Terroristen? Die Chinesen, Iraner oder Russen? Der Kalte Krieg
ist Geschichte, doch die USA rüsten unvermindert auf.
Selbstverständlich brauchen die USA verlässliche, moderne und gut
ausgerüstete Streitkräfte – doch in welchem Ausmaß? Sind zwölf
Flugzeugträgerverbände und Tausende von Jägern, Bombern und
Marschflugkörper wirklich unentbehrlich? Und dass sich Terroristen
militärisch nicht »besiegen« lassen, hat sich auch in Washington
herumgesprochen. Obama hat Wandel versprochen und einiges bereits
verändert – in der Gesundheitspolitik, beim Konjunkturpaket, beim
Umweltschutz oder in der Bildung. Doch weil die Rüstungs- und
Verteidigungsausgaben unangetastet bleiben, hat der Präsident keine
zusätzlichen Mittel für Forschung und Innovationen. So lange Obama
haushaltspolitisch im Kalten Krieg steckt, bleibt seine
Bildungsoffensive eine gutgemeinte Illusion. Denn beides gleichzeitig
– Hochrüstung und Innovationsoffensive – kann sich Amerika nicht
leisten. Es wird somit Zeit, dass die US-Regierung die Vergangenheit
abschüttelt und den Militärhaushalt rigoros kürzt. Erst dann wird sie
»die Zukunft erobern.«
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Andreas Kolesch
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