Kein deutsches Regierungsmitglied hätte mitten
im arabischen Frühling Ägyptens Mubarak, Libyens Ghaddafi oder
Tunesiens Ben Ali die Hand gegeben. Warum jetzt Al-Sisi, den
ägyptischen Putschistengeneral, der Todesurteile in Serie gegen die
Muslimbrüder und seinen Vorgänger Mursi verhängen lässt? Nur
Parlamentspräsident Norbert Lammert hat sich widersetzt, er ist
allerdings freier als die Regierung.
Der Besuch markiert die Anerkennung eines Irrtums. Wenn das Volk
in Arabien aufsteht und Diktatoren hinwegfegt, muss danach keine
Demokratie kommen. Es kann auch das Chaos sein, oder neue, noch
schlimmere Gewalt. In Libyen herrschen Banden und Terroristen.
Syrien geht im Krieg unter. Nur Tunesien scheint es zu schaffen.
Al-Sisis Visite in Berlin hat gezeigt: Auch den Deutschen geht das
Interesse an der eigenen Sicherheit und an Stabilität in der Region
vor Prinzipien. Moralischer Rigorismus ist in der Außenpolitik sicher
fehl am Platze, die Frage aber bleibt: Wie formuliert man solchen
Leuten gegenüber deutlich den Anspruch auf die universellen
Menschenrechte und die Werte der Demokratie? So wie die Vertreter der
Bundesregierung es am Mittwoch in Berlin taten, war es jedenfalls zu
leise.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261