Al-Kaidas letztes Aufbäumen
von Joerg Helge Wagner Koptische Christen, chaldäische Christen –
vor einem Jahr wären diese Begriffe eher Antworten auf hochdotierte
Quizfragen gewesen als Gegenstand von Schlagzeilen und Leitartikeln.
Doch der Terror des Islamisten-Netzwerkes Al-Kaida mit all seinen
Zweigen in der ganzen muslimischen Welt richtete sich da noch gegen
eine andere Zielgruppe: gemäßigte Muslime, die sich nicht am
„Gotteskrieg“ gegen andere Religionen und Kulturen beteiligen
wollten. Die Statistik des Roten Kreuzes zu den Opfern in Afghanistan
etwa ist da ganz eindeutig: Die allermeisten getöteten oder
verletzten Zivilisten gingen auf das Konto von islamistischen
Aufständischen. Deren Aufstand richtet sich übrigens gegen eindeutig
islamisch definierte Republiken und Königreiche wie Afghanistan,
Pakistan oder Saudi-Arabien, so lange deren Regierungen mit „dem
Westen“ kooperieren oder gar von ihm unterstützt werden. Doch dieser
Kampf zeigt keine Erfolge: Die selbsternannten „Gotteskrieger“ müssen
sich gerade von Gläubigen die Frage gefallen lassen, ob Allah ihrem
Eifer seine Billigung und Hilfe entzogen hat. Aus der ideologischen
Falle versucht sich Al-Kaida nun mit bizarr konstruierten Fällen zu
befreien: Die Gemetzel unter Gläubigen im Irak und in Ägypten seien
„Vergeltung“ für die „Geiselhaft“ zweier Christinnen, die zum Islam
konvertieren wollten, nun aber von ihrer Gemeinde festgehalten
würden. Abgesehen davon, dass jegliche Beweise dafür fehlen: Der
Wechsel der Religion ist für Muslime ungleich riskanter als für
Christen; in nicht wenigen Staaten wird er mit schwersten Strafen
bedroht. Auch der Ausbruch von Gewalt, mit dem nun die Kopten auf
ihre prekäre Lage aufmerksam machen, ist von Al-Kaida zynisch
kalkuliert worden: Christen, die eine Moschee angreifen – das ist
Wasser auf ihre Propaganda-Mühle. Doch selbst das läuft nicht lange.
Wenn sogar die stramm dogmatische ägyptische Moslembruderschaft das
Abschlachten von Christen mit Abscheu verurteilt, wird deutlich, wie
isoliert Al-Kaida inzwischen wirklich ist. Aber leider hat Isolation
Extremisten noch nie beeindruckt: Bis zu ihrem Untergang werden sie
den Terror noch steigern. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
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