Kommt es im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vor einem
Gericht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu einer
Auslegungsfrage im europäischen Recht, hat das Gericht die
Möglichkeit, die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur
Entscheidung vorzulegen. Hat der EUGH über die Vorlage entschieden,
sind die Entscheidungen für die Gerichte bindend. Das
Vorabentscheidungsverfahren soll die Einheitlichkeit der
Rechtsprechung der Gerichte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf das
EU-Recht gewährleisten.
Das Landgericht Gera wollte sich in einem von der Kanzlei Rogert &
Ulbrich geführten Verfahren Klarheit zur Anwendung von
europarechtlichen Vorschriften zu verschaffen, verfasste einen
Entwurf für einen Vorlagebeschluss und verschickte dieses mit
entsprechenden Hinweisen versehene Ansinnen an den Kläger und die
Beklagte. Wohlgemerkt – es war nur ein Entwurf. Ein Beschluss wurde
noch nicht verkündet.
Das Gericht beabsichtigte, folgende Frage zu stellen: „Sind §§ 6
Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 der
Richtlinie 2007/46/EG dahin auszulegen, dass der Hersteller gegen
seine Pflicht zur Erteilung einer gültigen Bescheinigung gemäß § 6
Abs. 1 EG-FGV verstößt (bzw. seine Pflicht zum Beilegen einer
Übereinstimmungsbescheinigung gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie
2007/46/EG), wenn er in das Fahrzeug eine unzulässige
Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art.3 Nr. 10 der VO (EG)
Nr. 715/2007 eingebaut hat, und das Inverkehrbringen eines solchen
Fahrzeugs gegen das Verbot des Inverkehrbringens eines Fahrzeugs ohne
gültige Übereinstimmungsbescheinigung gemäß § 27 Abs. 1 EG-FGV
verstößt (bzw. gegen das Verbot des Verkaufs ohne gültige
Übereinstimmungsbescheinigung gemäß Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie
2007/46/EG)?“
Eine in den Verfahren des Abgasskandals durchaus berechtigte und
sinnvolle Frage, die das Gericht dem EuGH in Luxemburg zur
Beantwortung zukommen lassen wollte.
Volkswagen verhinderte eine solche Entscheidung durch die
vollständige Erfüllung sämtlicher geltend gemachter Ansprüche.
„Volkswagen glaubt selbst nicht an die Wirksamkeit der eigenen
EG-Übereinstimmungsbescheinigung, was sich aus der überraschenden
Zahlung auf die Klage ableiten lässt. Wäre es anders, hätte man es
dort entspannt auf die Entscheidung ankommen lassen“, ordnet
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert die gegnerische Strategie ein.
Mit anderen Worten: Volkswagen scheut sich vor der Beantwortung
der Frage so sehr, dass man lieber in einen sehr sauren Apfel beißt,
weit mehr als den gesamten Kaufpreis an den Kläger zahlt und die
Forderung anerkennt. „In solchen Fällen liegen die Nerven im Hause VW
blank. Für die überlasteten Gerichte ist dies eine willkommene
Möglichkeit, die vielen Abgasverfahren abzukürzen“, fügt Rogert
schmunzelnd hinzu.
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Dirk Fuhrhop
Rechtsanwalt
Rogert & Ulbrich
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