WAZ: Zeit ist abgelaufen – Kommentar von Martin Gehlen

Ägypten bricht zusammen. Sechs Tage ringt das Volk
nun schon mit seinem verhassten Pharao, der sich an seinen Thron
klammert. Der greise Diktator begreift offenbar nicht, dass seine
Zeit abgelaufen ist. Stattdessen agiert Mubarak als Todesengel am
Nil, der lieber alles mit sich in den Ab-grund reißt, als sein Volk
freizugeben. Seine Polizei schießt auf die Demonstranten, seine
Berufsschläger aus der Staatssicherheit ziehen plündernd durch
Geschäfte. Die Polizei aber schaut zu und lässt scharenweise
Kriminelle laufen, damit sie sich nach Kräften an dem großen
Zerstörungswerk beteiligen. Noch ein letztes Mal – so scheint es –
will sich der todkranke 82-Jährige an seinem undankbaren Volk rächen,
bevor er selbst in sein Grab sinkt. Ägyptens Revolution, die so
mutig, fröhlich und friedlich begonnen hat, könnte bald in Mord und
Totschlag enden. Chaos regiert auf den Straßen. Polizisten versuchten
sogar, das Ägyptische Museum zu plündern. Und nachts machen die
wütenden Schergen des Regimes nach Belieben Jagd auf die eigene
Bevölkerung. Doch die Menschen sind entschlossen, sich ihr stolzes
Werk der Selbstbefreiung nicht aus den Händen ringen zu lassen.

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