Endlich Sommerpause. Wenn die Regierenden der
schwarz-gelben Koalition nach dem Gestolper und Gezänk der
vergangenen Monate eines nötig haben, ist es Abstand. Es passt zum
Erscheinungsbild der Koalition, dass sie sich mit der Kohlefrage eine
Bombe unter den Kabinettstisch legt – und den Zeitzünder auf Herbst
stellt.
Es ist schon ein tolles Ding: Da schafft eine Große Koalition aus
Union und SPD zusammen mit den Landesregierungen von NRW und dem
Saarland sowie der Gewerkschaft eine Einigung über den Ausstieg aus
der Kohlesubventionierung 2018. Und dann fährt diese als
Jahrhundertvertrag gefeierte Einigung bei der EU-Kommission vor die
Wand. Absicht oder Dilettantismus?
Beides wirft ein schlechtes Licht auf das federführende Haus von
Bundeswirtschaftsminister Brüderle. Entweder hat der Mann seinen
Laden nicht im Griff oder er hat den deutschen Ausstiegsbeschluss
sehenden Auges ins Brüsseler Verderben geschickt. Für Letzteres
spricht einiges. Schon am 2. Juli gab es eine Sitzung der
Kabinettschefs der EU-Kommissare, in der die Ausstiegsfrage streitig
diskutiert wurde. Es wäre ein bemerkenswertes Staatsverständnis, wenn
ein Bundeswirtschaftsminister versuchte, Bundesgesetze in seinem
parteipolitischen Sinne durch Nichtstun zu torpedieren. „Brüderle,
der Unterschätzte“, titelte jüngst das Handelsblatt und feierte den
Liberalen als aufrechten Ordnungspolitiker. Dummerweise nur haben
die Liberalen sowohl in NRW als auch im Bund dem Ausstiegsgesetz
zugestimmt. Diese Heute-so-und-morgen-so-Politik ist das größte
Problem der FDP.
Jetzt ist Sommerpause, und dann? Es ist absehbar, dass es
außerordentlich schwierig wird, die Tischvorlage für den
EU-Ministerrat im deutschen Sinne abzuändern. Die Widerstände in
Brüssel sind groß, und sie gibt es nicht erst seit gestern. Ein
Gegengeschäft zum Einkauf der Mehrheit würde teuer, dem Steuer-Senker
Brüderle sei Dank. Sollte es zu dem wahrscheinlichen früheren Aus der
deutschen Zechen kommen, bricht die Tektonik rund um die RAG-Stiftung
und deren Faustpfand zur Finanzierung der Ewigkeitskosten des
Bergbaus, die Evonik, zusammen. 6,8 Milliarden Euro muss die
Stiftung dafür aufbringen. Alles ist dafür auf 2018 ausgerichtet.
Wird“s jetzt früher, greift die Politik mit dem Rollgriff in die
Stiftungskasse oder gar nach Evonik. Es gibt schlechtere Gründe, sich
einen guten grünen Tee aufzubrühen und über Vorwärtsstrategien
nachzudenken. Für Evonik kann das nur heißen: 2011 Verkauf über die
Börse, die Hälfte der Erlöse geht an die Stiftung – und raus aus dem
einstürzenden Haus.
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