Die Massen-mobilisierende Kraft des Internets, wie
sie sich im Fall Joseph Kony offenbart, ist ein Phänomen, bei dem
sich Faszination und Schauder zugleich einstellen. US-Aktivisten ist
ein beispielloser Coup gelungen. Sie haben einen bis vor kurzem nur
Experten geläufigen Menschenschlächter in null Komma nichts auf den
globalen Steckbrief gesetzt. Mehr als 80 Millionen haben das Video
über die Gräuel Konys gesehen und „Kony muss weg“ angeklickt.
Menschenjagd per Facebook. Die Hybris anzunehmen, mit einem Mausklick
am Computer zum Sturz eines seit fast 25 Jahren wütenden Irren
beitragen zu können, ist erstaunlich. Dass Kony wie andere „Monster“
sich nur halten können, weil korrupte Regierungen und kaum zu
durchschauende Stammes-Rivalitäten es zulassen, kommt nicht zur
Sprache. Das Gemeinsam-gegen-das-Böse-Event hat eine
neokolonialistische Note. Sunnyboys aus Kalifornien sagen den
Menschen in Uganda, was Sache ist. Schwarz-weißer geht–s nicht. Die
echte Politik wird sich dem Druck der digitalen Basis nicht
entziehen. Eine neue Form von Stimmungs-Demokratie zieht auf.
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