Vier Jahre Konflikt in Syrien: Medizinische Hilfe durch fehlenden Zugang zur Bevölkerung blockiert

Vier Jahre nach dem Beginn des Konflikts in Syrien haben Millionen
Menschen keinen Zugang zu verzweifelt benötigter Hilfe. Ärzte ohne
Grenzen warnt, die Bevölkerung benötige dringend eine massive
Ausweitung der medizinischen Versorgung.

„Dieser Krieg ist durch brutale Gewalt geprägt, die weder zwischen
Zivilisten und Kombattanten unterscheidet, noch den Schutz von
Gesundheitspersonal und medizinischen Einrichtungen respektiert“,
sagt Joanne Liu, die internationale Präsidentin von Ärzte ohne
Grenzen. „Die Zahl der Todesopfer und das Leid der Zivilisten haben
untragbare Ausmaße erreicht und die derzeit geleistete humanitäre
Hilfe ist völlig unzureichend.“

Durch den vierjährigen Konflikt ist Syriens Gesundheitssystem
zusammengebrochen. Der Zugang zu lebenswichtigen medizinischen
Behandlungen ist inzwischen kaum noch möglich, weil medizinisches
Material und qualifiziertes Personal fehlen und weil
Gesundheitseinrichtungen angegriffen werden. Von den ehemals 2.500
Ärzten, die vor Ausbruch des Konflikts in Syriens zweitgrößter Stadt
Aleppo tätig waren, sind in den heute noch funktionierenden
Krankenhäusern der Stadt nicht einmal 100 übrig. Die anderen sind ins
Ausland oder in andere Gebiete Syriens geflohen, wurden entführt oder
getötet.

„Gemessen an der Not der Bevölkerung müsste unsere Organisation in
Syrien einen der größten medizinischen Einsätze ihrer 44-jährigen
Geschichte haben“, sagt Liu. „Aber das ist nicht möglich.“

Stattdessen musste Ärzte ohne Grenzen wegen der stetigen
Verschlechterung der Sicherheitslage und der Entführung von
Mitarbeitern durch den so genannten „Islamischen Staat“ (IS) im
Januar 2014 die Hilfe stark einschränken. Die Mitarbeiter kamen zum
Teil erst nach fünf Monaten wieder frei.

„Wir mussten nicht nur unsere Gesundheitseinrichtungen in den von
IS kontrollierten Gebieten schließen, auch die meisten
internationalen Mitarbeiter haben Syrien verlassen. Wir konnten uns
nicht länger darauf verlassen, dass ihnen nichts passiert“, so Liu.
Auch in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten ist
es Ärzte ohne Grenzen nicht möglich, medizinische Projekte zu öffnen.

In Gebieten, die weder von IS noch von der Regierung kontrolliert
werden, betreibt Ärzte ohne Grenzen heute noch sechs
Gesundheitseinrichtungen. Außerdem hat die Organisation ein Netzwerk
aufgebaut, mit dem sie mehr als 100 medizinische Einrichtungen
unterstützt – sowohl in von der Regierung als auch von der Opposition
kontrollierten Gebieten. Dieses Netzwerk ermöglicht es den
verbliebenen syrischen Ärzten und Pflegern, wenigstens ein Mindestmaß
an medizinischer Versorgung zur Verfügung zu stellen, oft unter
extrem gefährlichen Bedingungen. Diese wichtige Unterstützung von
medizinischen Einrichtungen ist aber nur an wenigen Orten möglich und
wird den enormen Bedürfnissen in keiner Weise gerecht.

„Die Menschen in Syrien benötigen dringend eine gewaltige
internationale humanitäre Hilfsaktion“, so Liu. „Ärzte ohne Grenzen
ist bereit, mit allen Beteiligten des Konflikts zu sprechen, um
sicherzustellen, dass die Hilfe die Zivilisten erreicht und dass die
Helfer sicher und effektiv arbeiten können. Bis das möglich ist, sind
die verbliebenen Netzwerke syrischer Ärzte und anderer Helfender die
einzige Überlebenschance für viele. Wir können mehr tun, um das Leid
der Syrer zu lindern – und sollten dies auch!“

Ärzte ohne Grenzen unterstützt neben den Projekten in Syrien auch
syrische Flüchtlinge im Libanon, in Jordanien und im Irak.

Pressekontakt:
Stefan Dold, stefan.dold@berlin.msf.org, 030/700130-239; Svenja
Kühnel, svenja.kuehnel@berlin.msf.org; 030/700130-230