Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist nach wie vor sehr von
Familiengeschichten geprägt. In den Narrativen ist die Anzahl der
Täter genauso groß wie die Anzahl der Helfer, so das Ergebnis einer
repräsentativen Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt-
und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Die Studie
mit dem Titel „MEMO Deutschland – Multidimensionaler
Erinnerungsmonitor“ wurde von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft“ (EVZ) gefördert.
Familiennarrative: Ähnlich viele Täter- wie Helfer-Geschichten
In ihren Telefoninterviews fragten die Forschenden über 1.000
Personen nach deren Meinung über Täter, Opfer und Helfer während des
Zweiten Weltkriegs. Nur 17,6 % der Befragten bejahen, dass unter
ihren Vorfahren Täter des Zweiten Weltkriegs waren. Ungefähr ebenso
viele Personen (18 %) geben an, ihre Vorfahren hätten in dieser Zeit
potentiellen Opfern geholfen. Etwas mehr als die Hälfte der
Interviewten (54,4 %) berichtet schließlich, unter den Verwandten
Opfer des Zweiten Weltkriegs zu haben.
„Es hat uns vor allem interessiert, was, warum und wie Menschen in
Deutschland Geschichte erinnern. Ein besonderer Blick war auf die
Erinnerung an den Holocaust gerichtet, denn angesichts von
Antisemitismus und Versuchen, Themen wie die Kriegsschuld für
Propagandazwecke zu missbrauchen, steht Erinnerungskultur infrage“,
so Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des IKG und Leiter der
Studie.
Großes Interesse an deutscher Geschichte
Weit über die Hälfte der Befragten interessiert sich für die
deutsche Geschichte eher stark (32,5 %) oder sogar sehr stark (27,7
%). Auch, dass Schüler Geschichtsunterricht haben, ist einer
deutlichen Mehrheit sehr wichtig (79,2 %). Die Interviewten nennen
als zwei der wichtigsten Gründe für Geschichtsunterricht, zu lernen,
welchen Schaden Rassismus anrichten kann (sehr wichtig: 78,9 %) und
zu verhindern, dass der Nationalsozialismus zurückkommt (sehr
wichtig: 84,3 %). Die Befürchtung, dass sich etwas wie der Holocaust
wiederholen könnte, ist unter den Befragten vorhanden. Knapp die
Hälfte teilt diese Sorge eher (25,6 %) oder sogar stark (21,6 %).
Behaupteter „Schuldkult“ empirisch nicht haltbar
„Wenn jetzt aber von einem –Schuldkult–, der in Deutschland
betrieben werde, die Rede ist, entspricht das überhaupt nicht der
Meinung in der Bevölkerung“, erläutert Zick. „Die Befragten erinnern
viel differenzierter.“ Der Anteil der Personen, die sich schuldig für
den Holocaust fühlen, ist gering: Der Aussage „Auch wenn ich selbst
nichts Schlimmes getan habe, fühle ich mich schuldig für den
Holocaust“ stimmt lediglich etwa jeder zehnte Befragte zu (stimme
eher zu: 5,9 %; stimme stark zu: 4,5 %).
Besuch historischer Orte prägt am stärksten
Ãœber den Nationalsozialismus erfahren fast alle Interviewten in
der Schule (98,4 %). Das Internet spielt als Informationsquelle bei
jüngeren Befragten eine immer wichtigere Rolle: 94,3 % der unter
30-Jährigen setzen sich dort mit dem Thema auseinander. Diese
Informationsquelle wird aber gleichzeitig als wenig prägend erlebt.
Ein Großteil der befragten Personen gibt schließlich an, Orte des
Erinnerns wie Gedenkstätten oder Mahnmale aufzusuchen. Dabei
hinterlässt der Besuch von Stätten, die an die Vernichtung von
Menschen durch den Nationalsozialismus erinnern, nach Meinung der
Befragten den stärksten bleibenden Eindruck.
Dr. Andreas Eberhardt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung EVZ:
„,MEMO Deutschland– bietet uns als Bestandsaufnahme die Möglichkeit,
Narrative und Bedarfe unterschiedlicher Personengruppen
festzustellen, um auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu
reagieren. Ziel der Stiftung EVZ ist es, eine lebendige
Erinnerungskultur mit innovativen Formen und frischen Ansätzen zu
schaffen. Wir sind auf dem Weg zur Gedenkstätte 4.0.“
Ãœber die Stiftung EVZ:
Die Stiftung EVZ wurde im Jahr 2000 gegründet, um Zwangsarbeiter
während der Zeit des Nationalsozialismus zu entschädigen. Seit 2001
leistet die Stiftung EVZ zudem humanitäre Hilfe für Überlebende,
fördert die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und stärkt
zivilgesellschaftliches Engagement in Ost- und Mitteleuropa.
Näheres zu den Handlungsfeldern der Stiftung EVZ sowie
Hintergrundinformationen zu den Umfrageergebnissen, Fotos und
Infografiken finden Sie auf www.stiftung-evz.de/presse.
Quelle: MEMO Deutschland – repräsentative Befragung von 1.000
Personen im Alter von 16 bis 92 Jahren, Institut für
interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität
Bielefeld und Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“,
Februar 2018.
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