Dank der derzeit stattfindenden Transformation zu digitalen Geschäftsprozessen in nahezu allen Geschäftsbereichen kommt man leicht zu dem Schluss, dass die papierverarbeitende Branche keine bedeutende Rolle mehr spielt. Bestellungen werden online getätigt, Behördengeschäfte lassen sich digital abwickeln, Gadgets wie Kindle und Co. revolutionieren sogar den Büchermarkt. Es gibt noch unzählige Beispiele von Tätigkeiten, die sich plötzlich problemlos mit dem Computer am Arbeitsplatz oder daheim erledigen lassen. Ja sogar von unterwegs, per Mobile, können mittlerweile selbst komplexe Geschäfte erledigt werden. Um so erstaunlicher ist da die Tatsache, dass Buchbinder nach wie vor volle Auftragsbücher haben und mit der Arbeit kaum nachkommen.
Wieso ist das so?
Nun, auf jede Bewegung in die eine Richtung folgt irgendwann eine Gegenbewegung. Dies ist auch in der papierverarbeitenden und Buchbinderbedarf Industrie so. Alle Bedürfnisse und Aufgaben des täglichen Bedarfes schnell und digital abzuwickeln hat durchaus seinen Reiz. Die Vorgänge erfolgen schnell, sicher, nahezu fehlerfrei – das hat schon etwas. Nur was bleibt außer einer Bestätigungsmail und einem vielleicht blinkenden Cursor?
Es geht jedoch um mehr als um reine Informationsübertragung
Menschen lieben haptische Dinge, die sie berühren, ertasten und anfassen können. Sie mögen Objekte, die eine Ausstrahlung besitzen und von einem gewissen Wert sind. Damit ist nicht unbedingt der monetäre Wert gemeint. Nehmen wir als Anschauungsbeispiel ein Buch, sicher eines der Hauptprodukte des Buchbinders. Ein Buch ruft besondere Emotionen hervor, entschleunigt den Leser, man kann darin blättern, Notizen machen, über den Inhalt diskutieren oder streiten. Ein Buch in die Hand zu nehmen, in den Seiten zu stöbern, hat mit einer gewissen Lebenseinstellung zu tun.
Viele Menschen haben dies erkannt und wieder ihr Faible für physische Bücher entdeckt. Dies erklärt unter anderem den enormen Aufschwung, den diese Branche zurzeit erfährt. Handwerklich erstellte, gut gebundene und produzierte Bücher liegen voll im Trend.
Vielfältige Aufgaben
Neben der Anfertigung von Sonderexemplaren mit besonderer Ausstattung, wie zum Beispiel Einfassungen, Vergoldungen, Lederapplikationen, Prägungen repariert ein Buchbinder auch Bücher. Viele seltene Exemplare sind es wert, erhalten zu werden, repräsentieren sie doch auch irgendwo ein Stück Zeitgeschichte. Dank diesem Handwerk ist dies möglich.
Aber das Aufgabenspektrum ist noch viel größer. So werden großflächige Pläne, Landkarten, Fotos oder Bilder kaschiert oder laminiert. Manuals werden mit Wire-O-Bindungen (Spiralbindungen) versehen oder mittels Heißklebeverfahren verleimt. Studienarbeiten gedruckt, Vereinshefte in Kleinauflage mit Rückendrahtheftung versehen, Papier wird gerillt oder genutet. Es wird sortiert, zusammengetragen, geklebt, geschnitten und gepresst. Der Buchbinder beherrscht viele verschiedene Bindearten wie Plastik-, Spiral- oder Drahtklammerbindungen, um nur einige zu nennen.
Auch in der Industrie
Aber auch für die ganz alltäglichen großvolumigen Aufträge einer Druckerei braucht es eine entsprechende Weiterverarbeitung. Hier kommt wieder die Buchbinderei zum Einsatz. Jedoch wird dann das Druckgut, also das bedruckte Material, mithilfe von Hochleistungsmaschinen weiterverarbeitet. Dafür werden oft technisch ausgefeilte Zusammentragtürme oder Falzmaschinen mit den verschiedensten Falzmöglichkeiten verwendet. Dieser Teil des Handwerks hat jedoch mit romantischer Beschaulichkeit nicht mehr viel zu tun. Hier geht es um Wirtschaftlichkeit, funktionierende Produktionsprozesse und unbedingte Termineinhaltung.
Es ist sehr erfreulich, dass nicht jedes traditionelle Handwerk dem Fortschritt zum Opfer fällt. Trotzdem sind auch zukunftsorientierte Buchbindereien immer auf der Suche nach attraktiven Produkten und Dienstleistungen, um auch zukünftig nachgefragt zu werden.