taz-Kommentar von Kai Schlieter zur Privatisierung
der Autobahnen
Tricksen, täuschen, schröpfen
Erschreckend, wie LeserInnen und WählerInnen hier verschaukelt
werden: beim größten Privatisierungsvorhaben seit der
Wiedervereinigung, für das eigens eine Infrastrukturgesellschaft
gegründet wird. Als klar war, dass sich keine Konzerne an der
Gesellschaft beteiligen werden, verbreitete die Süddeutsche Zeitung
die Exklusiv-Meldung: „Gabriel stoppt Autobahn-Privatisierung“.
Sehr viele Medien übernahmen die strategische Irreführung. Die
JournalistInnen der Süddeutschen wissen, dass Sigmar Gabriel das, was
er angeblich stoppte, tatsächlich erst erfunden hat. Lässt sich im
SZ-Archiv nachlesen. Oder aktuell bei der ARD: „Die Blaupause zu den
Regierungsplänen liegt seit Anfang 2015 auf dem Tisch. Damals
berichtete „Panorama“ in Kooperation mit der Welt exklusiv über die
Pläne der sogenannten Gabriel-Kommission. Auch das stimmt nur ein
bisschen. Denn die Kommission, die in Gabriels Auftrag die
Infrastrukturgesellschaft aus dem Hut zauberte, war nach Marcel
Fratzscher benannt. Und was die Exklusivität betrifft: Die taz
enthüllte das Vorhaben bereits 2014.
Eitelkeiten und die Bereitschaft, Fakten zu verdrehen, um exklusiv
zu erscheinen. Nicht gut für die Demokratie.
Aber ist wenigstens die Privatisierung vom Tisch? Nein, sie wird
kommen. Denn sie hängt weniger von der Eigentümerstruktur der
Gesellschaft ab. Entscheidend ist der Zugriff des Bundes, der im
Nebel unbeirrt sein eigentliches Vorhaben verfolgt: angesichts
niedriger Zinsen sichere Anlageprodukte für Konzerne zu schaffen und
durch den Trick von langfristigen Verträgen an Private, das
Verschuldungsverbot zu umgehen. Euphemistisch „Öffentlich-Private
Partnerschaft“ genannt.
Für die „Schwarze Null“ und das Wohlwollen der Konzerne nehmen die
Berliner Koalitionäre in Kauf, SteuerzahlerInnen in dreistelliger
Milliardenhöhe zu schröpfen. Die Alternative für Deutschland freut
das.
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