Frankfurt / Cebu City 2015
Eigentlich ist es für Reinhard O. ein Tag wie jeder andere. Der leitende Manager eines IT-Unternehmens fährt auf der A5 in Richtung Basel und erledigt bei 200km/h nebenbei das Kerngeschäft seines Unternehmens. Laptop und Handy griffbereit, telefonische Verhandlungen um die Sorgen und Nöte seines Unternehmens werden getätigt. Der 37-Jährige erfolgsverwöhnte Manager und Vorgesetzter von 10500 Mitarbeitern ist dabei voll in seinem Element. Sorgen der Familie und der Arbeitnehmer werden hinten angestellt, zumal der Erfolgsdruck immens ist. Unser Unternehmen ist so groß, dass ich keine Zeit für die Probleme der einzelnen Mitarbeiter habe. Das Geschäft ist hart und wer diesem Tempo nicht folgen kann ist draußen. Machtkämpfe im Management, Mitarbeiterprobleme lassen alles andere vergessen. Dabei so, wie er später zugibt, war dieser Zustand eine Gratwanderung zwischen Burnout und totalem Verlust der Sozialkompetenz seines Umfeldes gegenüber. Über das Angebot des für ihn bereits tätigen Sicherheitsunternehmens ManagerSOS war Reinhard O. zunächst verwundert und abgeneigt. Dieses beinhaltete, dass Reinhard O. seinen Chefsessel für 14 Tage Slumleben auf den Philippinen aufgab. Er sollte dort unter extremen Lebensbedingungen Einheimischer dem Begriff Sozialkompetenz näher geführt werden. Am Anfang habe ich mich gefragt, was dieses Angebot mit Sozialkompetenz der Familie und den Mitarbeitern gegenüber zu tun haben soll. Ich war skeptisch und aber auch neugierig zugleich.
Reinhard O. setzte sich mit der ManagerSOS Consulting in Verbindung und buchte für sich und 4 weitere Führungskräfte diesen Trip. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war die Tatsache, dass er hinsichtlich seines Lebensstandards in Anschluss an dieses Projekt eine 180°Wende macht. Im Juni 2010 flog Reinhard O. und Begleiter mit der Cathay Pacific über HongKong nach Cebu City.
Die Mitarbeiter der ManagerSOS nahmen die sonst so erfolgsverwöhnten Manager am Flughafen in Empfang. Gleich zu Beginn wurden die Wertsachen in Gewahrsam genommen und die Teilnehmer dieses Extrem-Seminars über die Sicherheitsvorschriften in Kenntnis gesetzt. Aufgrund bitterer Armut kommt es auf den Philippinen häufig zu Raubüberfällen, Gewaltdelikten bis hin zu Entführung und Ermordung von sogenannten Foreigner. Ebenfalls wurde den Coaching- und Trainingsteilnehmern suggeriert, dass in der Zeit des Aufenthaltes, bis auf einen begrenzten Zeitraum, keinerlei Luxus wie Hotelzimmer, hochwertiges Gourmet essen sowie Transportmöglichkeiten mittels eigener Limousine zur Verfügung steht. Der gesamte Ablauf des Sozialkompetenz-Trainings findet genau so statt, wie das Leben der einheimischen Bevölkerung verläuft. Hier ist Sozialkompetenz seinem Umfeld gegenüber überlebensnotwendig. Nach 2 Stunden und 45 Minuten Fahrtzeit mittels Jepney wurden die Teilnehmer in die Provinz von Toledo auf der Island Cebu verbracht. Blankes Entsetzen machte sich beim Anblick der Wellblech- und Bambushütten, sowie der Lebensumstände breit. Als Unterkunft diente eine nach beiden Seiten offene Bambushütte in mitten der philippinischen Slums nahe des Urwaldes.
Aufgabe der Coaching-Teilnehmer war es sich an die Gegebenheiten des Umfeldes und dem Lebensstandard anzupassen. Schlafen auf dem Bambusboden, Essenszubereitung der einheimischen Küche, Trinkwasserversorgung und Kommunikation mit den Ureinwohnern waren einige der vorgegebenen Aufgaben, die sie über den Zeitraum des Seminars zu verrichten hatten. Feststehende Rollen in der sozialen Gemeinschaft der Slumbewohner war eine Pflicht, die Teilnehmer mussten wie die Bewohner auch ihr Essen von den dorfeigenen Reisfeldern sähen, Hühner jagen, Fische fangen und sich in diesem Uhrwerk als funktionierendes Zahnrad beweisen. Es gibt dort nichts vergleichbares zu dem, was in einer zivilisierten westlichen Gesellschaft als Selbstverständlich gehalten wird. Die bestehende Armut, der unentwegte Drogenkonsum, die hohe Kriminalität wie Hehlerei, Raubüberfälle und sogar die Kleinigkeiten wie schlechte Hygiene setzen einen nicht zu unterbietenden Lebensstandard voraus. Kinderprostitution und das Umhertreiben von Sex-Touristen, sowie die Hohe Sterblichkeitsrate bei kriminellen Übergriffen spiegeln das auf niedrigstem Niveau bestehende Gesellschaftsbild wider. Die erschreckende Kenntnis dabei: Trotz dieses erschütternden Lebensstandard war es offensichtlich durchaus möglich für die Slumbewohner, auf eine gewisse Art und Weise glücklich zu sein. Die moralische Haltung der Slumbewohner besteht darin, zufrieden zu sein mit den Gegebenheiten und immer dankbar dafür zu sein, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Sinn und Zweck des Seminars war es sich genau dieser Haltung anzunähern und diese zu begreifen. Kleinste Verfehlung könnten dort für die Bevölkerung, aber auch für unsere erfolgsverwöhnten Seminarteilnehmer zu einem Desaster werden. Dort drüben herrscht ein ebenso hoher Erfolgsdruck wie bei uns, nur eben in anderen Ausmaßen und der Umgang damit kann über Leben und Tod entscheiden. Der gesamte Seminaraufenthalt wurde selbstverständlich von den Mitarbeitern der ManagerSOS überwacht und abgesichert.
Dem Sozialkompetenz- Coaching entnehme ich als Resümée, dass die Selbstverständlichkeiten einer konsumorientierten westlichen Gesellschaft nicht für selbstverständlich genommen werden dürfen und die Sozialkompetenz der eigentliche Schlüssel zum Glücklich-sein und dem damit verbundenen Erfolg bedeutet. Wer diese Attribute außer Acht lässt verspielt die Chance auf ein funktionierendes und produktives Miteinander, obgleich in einem Unternehmen, zu Hause mit der Familie oder in den Slums. Wer in der Liga der Manager klug agieren will, darf das Grundgerüst dieses Systems nicht außer acht lassen nur um des Geldes willen. Es waren Erfahrungen die mir ebenso gezeigt haben, dass Teamarbeit und Führungsfähigkeit im Wesentlichen vom sozialen Miteinander abhängig und auch unausgereift sind. Diese Unreife zu füllen ist zu einem festen Bestandteil meiner Arbeitsmoral geworden. Die Kluft zwischen Arm und Reich und sozial und asozial hat mir gezeigt dass man selbst von den Ärmsten der Armen Menschlichkeit und Sozialkompetenz lernen kann. so Reinhard O.