Syriens Präsident Baschar al-Asad zehn Jahre im Amt: ROG beklagt massive Verstöße gegen Pressefreiheit

Zehn Jahre nach der Vereidigung des syrischen
Präsidenten Baschar al-Asad am 17. Juli 2000 zieht Reporter ohne
Grenzen (ROG) eine kritische Bilanz der Amtszeit des Politikers. „Die
Ergebnisse unserer Untersuchung der Situation der Pressefreiheit sind
deprimierend: Die Versprechungen der Regierung, das Land zu öffnen,
haben keine politischen und gesetzlichen Reformen nach sich gezogen.
Die regierende Arabische Sozialistische Baath-Partei hält ihre
vollständige Kontrolle über die Presse aufrecht“, so ROG.

Weit greifende Mechanismen zur Kontrolle von staatlichen und
privaten Medien, repressive Mediengesetze, die Unterdrückung und
Verfolgung von oppositionellen oder unabhängigen Journalisten,
massive Online-Zensur und die Überwachung ausländischer
Medienmitarbeiter lassen in der Arabischen Republik so gut wie keine
Freiräume mehr für unabhängige Meinungsäußerung. In einem Kurzbericht
anlässlich des Jahrestags der zehnjährigen Amtszeit von Baschar
al-Asad gibt ROG einen Überblick über die aktuellen Verletzungen der
Presse- und Internetfreiheit.

Die Organisation zur Verteidigung der Meinungsfreiheit moniert
unter anderem die geringe Vielfalt und Unabhängigkeit der syrischen
Presse. Die in der vergangenen Dekade gestiegene Zahl von
Nachrichtenmedien kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Radio- und
TV-Sender und die meisten Publikationen der Kontrolle der
Baath-Partei unterstehen. Die wenigen Medien, die nicht direkt von
der Regierung beeinflusst werden, müssen jede ihrer
Veröffentlichungen vom Informationsministerium genehmigen lassen.

Presse- und Meinungsfreiheit sind in der syrischen Verfassung von
1950 verankert. Eine Reihe von weiteren Regelungen und Gesetzen
verhindern allerdings die Umsetzung der Menschenrechte. Auf Grundlage
des restriktiven Erlasses Nr. 50 aus dem Jahr 2001 etwa unterdrücken
die Behörden regelmäßig kritische und unabhängige Stimmen: Laut dem
Dekret droht für die Veröffentlichung „von falschen Informationen
oder gefälschten Dokumenten“ eine bis zu dreijährige Gefängnisstrafe.
Zudem dürfen „unantastbare“ Grundprinzipien wie die „Interessen des
syrischen Volkes“, die Streitkräfte oder der politische Kurs des
Präsidenten nicht hinterfragt werden.

Verhöre gehören zum Arbeitsalltag vieler syrischer
Medienschaffender. Wer als Journalist oder Internetdissident Kritik
an der politischen Führung übt, muss mit einer Festnahme rechnen. Das
„Syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit“ – die einzige
Nichtregierungsorganisation im Land, die auf Presse- und
Internetfragen spezialisiert war und die Medienberichterstattung
während Wahlperioden beobachtete – wurde am 13. September 2009
geschlossen.

Ein beunruhigendes Zeichen ist außerdem die zunehmende
Online-Zensur. Nach dem aktuellen ROG-Internetbericht gehört Syrien
zu den zwölf Staaten, die den Titel „Feinde des Internets“ verdienen.
Im Visier der staatlichen Filter- und Sperrpolitik stehen vor allem
unabhängige Nachrichtenseiten, oppositionelle oder kurdische Seiten,
Informationen von Menschenrechtsorganisationen oder soziale
Netzwerkseiten und Blogplattformen. Eine Reihe von
Internetdissidenten wurde unter Vorwürfen wie „Diffamierung des
Staates“ oder „Untergrabung des Nationalgefühls“ gerichtlich
verfolgt. Seit 2007 sind Besitzer von Internetcafés gesetzlich
verpflichtet, persönliche Daten von Kunden aufzunehmen, die Artikel
online stellen oder Kommentare in Diskussionsforen veröffentlichen
möchten.

Ausländische Korrespondenten in Syrien stehen ebenfalls unter
Beobachtung. Nach dem Erlass Nr. 50 können die Behörden die
Verbreitung ausländischer Publikationen verbieten, insofern Fragen
der nationalen Souveränität aufgegriffen werden, die nationale
Sicherheit „bedroht“ oder der „öffentliche Anstand“ verletzt wird. Es
ist sehr schwer, als ausländischer Journalist eine Akkreditierung zu
erhalten. Auch ROG wurde die Einreise in das Land verwehrt.

Internationale Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte
wehrt die syrische Regierung bislang als „Einmischung in innere
Angelegenheiten“ ab. Baschar al-Assad steht auf der von ROG jährlich
veröffentlichten Liste der „Feinde der Pressefreiheit“. Auf der
ROG-Rangliste zur weltweiten Lage der Pressefreiheit steht Syrien auf
Platz 165 von insgesamt 175 Positionen.

Lesen Sie hier den sechsseitigen ROG-Kurzbericht zu Syrien
(Englisch): http://bit.ly/Syrien_ROG_Bericht

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