Manchmal wüsste man wirklich gerne, wie genau es in
der Bundesregierung eigentlich so zugeht. Aussage nach den
Koalitionsverhandlungen: Wir schaffen die umstrittene Störerhaftung
ab. Im Gesetz steht dann: Störerhaftung bleibt. Und nun, ein gutes
Jahr später: Die Störerhaftung wird abgeschafft. Wirklich! Echt!
Es wäre tatsächlich mal eine gute Nachricht. Denn die
Störerhaftung beim WLAN ist ein seltsames Instrument: Warum muss der
Inhaber eines Internetanschlusses dafür haften, wenn jemand Drittes
darüber eine Rechtsverletzung begeht? Weil auch der Eigentümer einer
Bohrmaschine haftet, wenn er sie verleiht und jemand damit verletzt
wird? Nein, eben, muss er nicht. Aber genauso unsinnig ist die
Störerhaftung beim WLAN und dient damit in der Praxis vor allem einer
Förderung der Abmahnindustrie.
Doch ein Problem bleibt: Der Umgang der Bundesregierung mit dem
Thema Störerhaftung ist symptomatisch für ihre gesamte Netzpolitik.
Die basiert weitgehend auf unterschiedlichen Ausprägungen der
Strategie: A sagen, B tun (Netzneutralität), halbherzigem Agieren
(Breitbandausbau), Handeln weitgehend ohne System (bei
Hasskommentaren) und im Zweifelsfall einfach mehr Überwachung
(Vorratsdatenspeicherung). Das, was eine gute Netzpolitik leisten
könnte – von Teilhabe bis zum Schutz der Privatsphäre, von
Barrierefreiheit bis zur Förderung innovativer und nachhaltiger
Geschäftsmodelle – ist so nicht zu schaffen.
Dass die Netzpolitik der Regierung so ist wie sie ist, liegt
sicher auch am Kompetenz-Hickhack innerhalb des Kabinetts. Alleine an
der Digitalen Agenda haben drei Ministerien mitgearbeitet – dabei war
da das Verbraucherschutzministerium, das in solchen Fällen nicht ganz
unwichtig ist, nicht einmal dabei. Und wenn viele ein bisschen
zuständig sind, ist es leider manchmal so, dass sich keiner richtig
kümmert. Weil sich niemand auskennt. Oder die Interessen der
Wirtschaft am Ende doch mehr wiegen als die der Internetnutzer.
So ist auch die Ankündigung, die Störerhaftung beim WLAN jetzt
aber wirklich abzuschaffen, mit Vorsicht zu genießen – bis
tatsächlich ein Gesetzentwurf vorliegt. Denn mögliche Hintertüren, um
es Nutzern, die ihr Netz für Nachbarn, Freunde und Passanten öffnen
wollen, schwer zu machen, gibt es genug.
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