Jüngste Umfrageergebnisse und Wahrnehmungen
lassen erahnen, wie schwer es wird, der Sehnsucht nach Verleugnen und
Verdrängen entgegenzuwirken. Denn sie ist offenbar in Deutschland so
stark wie je. 81 Prozent der Befragten sagten in einer Umfrage der
Bertelsmann-Stiftung, sie wollten die Geschichte der Judenverfolgung
„hinter sich lassen“. 58 Prozent der Befragten bekannten, sie wollten
einen regelrechten Schlussstrich unter die NS-Verbrechen ziehen.
Ungeachtet einer siebzigjährigen Aufarbeitung gibt es ausweislich
wissenschaftlicher Studien noch immer einen stabilen, beängstigend
hohen Bodensatz von 15 bis 20 Prozent Antisemiten.
Diese Daten müssen ernüchtern, ja: erschüttern angesichts einer
Welt, in der jeden Tag aufs Neue sichtbar wird, wie aktuell die
geschichtlichen Lehren aus Holocaust und NS-Zeit sind. Mit dem
Hitler-Regime haben wir gelernt, wie dünn in einer Gesellschaft der
zivilisatorische Firnis sein kann, unter der sich äußerste Brutalität
und Mordbereitschaft verbergen. Erschreckende Parallelen mit der
Jetztzeit lassen sich nicht nur in den Gewaltorgien des Islamischen
Staates entdecken.
Das Erinnern und Nachdenken, das Reden und Schlussfolgern darf
nicht enden. Wir bleiben es den Opfern schuldig, aber auch uns
selbst. Denn ohne Erinnern ist, um es erneut mit Roman Herzog zu
sagen, ein Überwinden des Bösen nicht möglich.
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