Stuttgarter Zeitung: DGB-Erhebung deckt Schwachstellen der Leiharbeit auf

Deutlich weniger Einkommen, aber höhere
körperliche Belastungen und weniger Einfluss auf die Gestaltung der
Arbeit – eine repräsentative Beschäftigtenbefragung des Deutschen
Gewerkschaftsbundes zum DGB-Index Gute Arbeit zeigt gravierende
Unterschiede bei den Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern und
Stammbeschäftigten auf. Entliehene Kräfte bewerten ihre Arbeit
deutlich negativer. Die Sonderauswertung des DGB-Index für den
Zeitraum 2012 bis 2018 liegt der „Stuttgarter Zeitung“ und den
„Stuttgarter Nachrichten“ (Donnerstagausgabe) vor. Anlass ist die
aktuelle Tarifrunde, bei der sich die DGB-Tarifgemeinschaft am
kommenden Dienstag zur zweiten Verhandlungsrunde mit den Verbänden
der Zeitarbeit, BAP und IGZ, trifft.

Der Beschäftigtenbefragung zufolge besteht eine große Kluft beim
Einkommen, was nicht nur mit Qualifikationsunterschieden zu tun hat.
Bei Vollzeittätigkeiten, für die in der Regel eine zwei- bis
dreijährige Berufsausbildung erforderlich ist. verfügen zwei Drittel
der Leiharbeitnehmer über ein Bruttoeinkommen von 2000 Euro und
weniger. Beträchtlich ist der Anteil der Zeitarbeitsbeschäftigten,
die in Schichtdiensten arbeiten. Mit 37 Prozent liegt er mehr als
doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe der nicht entliehenen
Kräfte (16 Prozent). Auch bei der Nachtarbeit sind sie deutlich
häufiger vertreten: Jede fünfte Leihkraft arbeitet (sehr) häufig
zwischen 23 und 6 Uhr.

Der Erhebung zufolge können Leiharbeitnehmer auch die von ihnen zu
bewältigende Arbeitsmenge und die Gestaltung ihrer Arbeitszeit viel
weniger beeinflussen. 72 Prozent der Befragten geben an, keinen oder
nur einen geringen Einfluss auf den Arbeitsumfang zu haben – bei
nicht entliehenen Beschäftigten sind es 65 Prozent. Noch deutlicher
gehen die Einschätzungen bei der Arbeitsplanung auseinander.
Gesundheitliche Risikofaktoren wie körperliche Belastungen treten in
der Leiharbeit häufiger auf. Vom Heben, Tragen oder Stemmen schwerer
Lasten berichten 43 Prozent der Leiharbeitnehmer. Zwei Drittel sind
(sehr) häufig in ungünstigen Körperhaltungen tätig. 55 Prozent der
Leihkräfte geben an, dass sie (sehr) häufig Lärm ausgesetzt sind.

Zeitarbeitnehmer, die im Schnitt ohnehin über ein geringeres
Qualifikationsniveau verfügen als Stammkräfte, erhalten auch deutlich
seltener Chancen zur Weiterbildung. 70 Prozent geben an, dass ihr
Betrieb Fortbildungen nicht oder nur in geringem Maße ermöglicht –
bei den nicht entliehenen Kollegen sind es 45 Prozent.
„Einkommenssteigerungen allein reichen nicht, um den Beschäftigten
der Branche bessere Perspektiven zu bieten“, sagte
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell den Zeitungen. Die
Digitalisierung mache vor der Leiharbeit nicht halt. Deshalb seien
bessere Möglichkeiten der Weiterbildung vonnöten. „Dafür brauchen wir
mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Betriebsräte in den
Unternehmen“, forderte Körzell. „Politik und nicht zuletzt die
Arbeitgeber müssen bessere Bedingungen für die Weiterbildung
schaffen.“

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