Streit um Definition für politische Gefangene führt zu Spaltung im Europarat

Der Ausschuss für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates (PACE) hat diese Woche mit knapper
Mehrheit zwei kontroverse Berichte über die politische Definition von
politischen Gefangenen und speziell zur Frage der politischen
Gefangenen in Aserbaidschan durch Sonderberichterstatter Christoph
Strasser anerkannt.

Die Berichte wurden durch eine knappe Abstimmung mit jeweils 26
zu 22 und 25 zu 23 Stimmen angenommen, was höchst ungewöhnlich ist,
da derartige Entscheidungen grundsätzlich beinahe einstimmig
entschieden werden.

Der Ausschuss war sich hinsichtlich der vorgeschlagenen Kriterien
uneinig, die 2001 von drei Experten festgelegt worden waren und sich
auf deren Arbeit mit politischen Gefangenen während des Bürgerkriegs
in Namibia vor 25 Jahren stützten. Zahlreiche Abgeordnete
argumentierten, dass es sich um veraltete Kriterien handele, die für
die Mitgliedsstaaten des Europarats, zu denen auch Aserbaidschan
zählt, heutzutage nicht mehr als objektives Kriterium dienen könnten.

Abgeordnete aus Italien und Spanien forderten, Artikel 17 des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beachten, der das
Recht des Staates zur Verteidigung seiner Verfassung gegen Gruppen,
die dies zu stürzen versuchen, festschreibt.

Sie brachten ihre Sorge hinsichtlich der Tatsache zum Ausdruck,
dass gefangene islamische Extremisten, die vom Iran unterstützt
werden und öffentlich fordern, die Scharia in Aserbaidschan, das an
den Iran grenzt, durch gewalttätige Massnahmen zum Gesetz zu machen,
nach Strassers Bericht sofort freigelassen werden sollen. Sie
betonten, dies stelle einen Präzedenzfall für alle
Europarat-Mitgliedsstaaten dar, die vor ähnlichen Herausforderungen
des islamischen Extremismus stehen.

„Es ist ein Skandal, dass extremistische religiöse Gruppen, die
vom Iran und Terroristen in meinem Land gefördert werden, als
politische Gefangene gelten“, erklärte Elkhan Suleymanov (Abgeordnete
aus Aserbaidschan) hinsichtlich der knappen Entscheidung.

„Diese Berichte sind voller Vorurteile und Unwahrheiten und
stellen einen schlechten Präzedenzfall für alle Mitgliedstaaten dar.
Wir brauchen eine offene und transparente öffentliche Debatte, um ein
Messen mit zweierlei Mass zu vermeiden. Das Fehlen einer solchen
Debatte und das mangelnde Verständnis internationaler Massstäbe
schaden dem Ruf des Europarates, der immerhin eine Bastion für
Menschrechte darstellt“, so Suleymanov.

Belgische Abgeordnete wiesen ausserdem auf juristische Mängel in
den Berichten hin, da der Berichterstatter Strasser sich auf laufende
Verfahren vor dem EGMR beziehe, seine persönliche Meinung mit
einbringe und daher in den juristischen Prozess eingreife. Die
Abgeordneten riefen die Versammlung – die Legislative des Europarates
– dazu auf, aus individuellen Fällen keine rechtlichen Beurteilungen
abzuleiten, da dies eine ernsthafte Bedrohung für das Gericht
darstelle und dessen Unparteilichkeit beeinträchtigen könne.

Derzeit existiert keine allgemein akzeptierte Definition für
politische Gefangene in der internationalen Gemeinschaft. Die
Vereinten Nationen und Amnesty International verwenden die Begriffe
„Gefangenen aus Gewissensgründen“ oder „Gesinnungshäftlinge“. Die
knappe Abstimmung zur Anerkennung der Berichte, die auf den
Erfahrungen in Namibia beruhen, hat nun zu einer ernsten Spaltung zu
diesem Thema im Europarat geführt.

Die endgültige Abstimmung über die beiden Berichte wird während
der Tagung der Versammlung im Oktober/November stattfinden.

Pressekontakt:
Muslum Mammadov, muslum.mammadov@ocaz.eu; +32474506304

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