stern: Stuttgart 21 für Investoren vor allem Immobilienprojekt – „Nachhaltiges Neubaugebiet noch wichtiger als Bahnhof“

Stuttgart 21 ist für seine Initiatoren in erster
Linie kein Bahn-, sondern ein Immobilienprojekt. Das Hamburger
Magazin stern zitiert in seiner neuen, am Donnerstag erscheinenden
Ausgabe einen „Investoren Service“ der Stadt Stuttgart: „In bester
innerstädtischen Lage entsteht auf den frei werdenden Gleisflächen
ein nachhaltiges Neubaugebiet.“ Das sei „noch wichtiger“ als der
Bahnhof. Auf dem möglicherweise frei werdenden Gleisgelände sollen
insgesamt zehn Milliarden Euro in Büros, Wohnhäuser, Einkaufszentren
investiert werden. Fast alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen der
geplanten Projekte basieren auf dem planmäßigen Bau von Stuttgart 21.

Vor ein paar Tagen verkündeten Ministerpräsident Mappus und
Bahnchef Grube, den Abbruch des Südflügels des Bahnhofs um einige
Monate zu verzögern, sie werteten das als „ein klares und deutliches
Signal“ an die Gegner. Vertrauliche S 21-Planungsunterlagen, die dem
stern vorliegen, zeigen jedoch, dass die Abrissbirne ohnehin erst in
zwei Jahren, am 20. August 2012, am Südflügel des denkmalgeschützten
Bahnhofs zuschlagen soll.

Einer der größten Investoren auf dem S 21-Gelände ist der
ECE-Konzern. Der Hamburger Shoppingcenter-Betreiber will gemeinsam
mit dem Baukonzern Strabag und der bayerischen Bau- und
Immobiliengruppe (BBIG) rund 500 Millionen Euro in ein 43.000
Quadratmeter großes Einkaufszentrum investieren: Geplant sind drei
über Brücken verbundene Gebäude mit 500 Wohnungen, einem Hotel,
Restaurants, 150 bis 200 Einzelhandelsgeschäfte, über 1600
Parkplätze.

Der Stiftung „Lebendige Stadt“, die von ECE-Chef Alexander Otto
gegründet worden ist, gehörten bis vor kurzem wichtige
S21-Befürworter an. Die Stiftung ist gemeinnützig, baut Parkanlagen,
vergibt Preise, propagiert die Idee von C02-freien Städten – ein
Gedanke, der auch ein Werbeargument von Stuttgart 21 ist. Dem
Stiftungsrat gehört etwa der Architekt des Stuttgarters Hauptbahnhofs
an, Christoph Ingenhoven. Im Vorstand ist seit 2005 Friederike Beyer,
Lebensgefährtin des ehemaligen baden-württembergischen
Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Wie stern-Recherchen ergaben,
gehörte bis September auch Stuttgarts Oberbürgermeister dem
Stiftungsrat an. Er trat zurück, so ein Sprecher der Stiftung zum
stern, „um jeglichen Anschein eines Interessenskonflikts zu
vermeiden“.

Auch Tanja Gönner, Baden-Württembergs Umweltministerin, lässt seit
Montag ihre Mitgliedschaft in der Stiftung ruhen. Auf stern-Anfrage
ließ die Stiftung wissen, es bestünde „keine Vermengung von
Interessen“ des Unternehmens ECE und der Stiftung. Man agiere
unabhängig, in keinem Stiftungsgremien hätten Vertreter der ECE eine
Mehrheit.

Pressekontakt:
stern-Autor
Arno Luik
Telefon 040-3703-3665

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