Mehr als 100 Bundestagsabgeordnete profitieren von
rechtlich zweifelhaften Zusatzzahlungen. Das berichtet das Hamburger
Magazin stern in seiner neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe.
Die Abgeordneten erhalten als Parlamentarische Geschäftsführer,
Fraktionsvizevorsitzende und häufig auch in weiteren Ämtern so
genannte Funktionszulagen aus den Budgets der Bundestagsfraktionen,
zusätzlich zu der gesetzlichen Diät von monatlich 7668 Euro. Bereits
im Jahr 2000 hatte das Bundesverfassungsgericht aber die Zahlung
solcher Zulagen – außer für Fraktionschefs – verworfen.
Die Summe der im Bundestag gezahlten Funktionszulagen stieg 2009
auf 3,6 Millionen Euro. Noch 1999 waren es umgerechnet nur 2,3
Millionen. Während bei Grünen und Linken neben den Fraktionschefs
lediglich deren Stellvertreter sowie Fraktionsgeschäftsführer
Anspruch auf die Bonusszahlungen haben, ist der Kreis der Empfänger
bei CDU/CSU, SPD und FDP deutlich größer. Die FDP honoriert nach
Informationen des stern auch ihre Arbeitskreisvorsitzenden, Union und
SPD auch die jeweils 21 fachpolitischen Sprecher. Die Fraktionen von
CDU/CSU, FDP und SPD wollten auf stern-Anfrage keinerlei Auskunft
über den Kreis der Begünstigten und die Höhe der von ihnen gewährten
Zahlungen machen. Die Fraktionsetats werden fast ausschließlich aus
Steuermitteln finanziert.
Das Gericht hatte in seinem Urteil vor zehn Jahren davor gewarnt,
„dass durch die systematische Ausdehnung von Funktionszulagen
Abgeordnetenlaufbahnen und Einkommenshierarchien geschaffen werden,
die der Freiheit des Mandats abträglich sind“. Gegenüber dem stern
bestritten alle Fraktionen von CDU/CSU bis Linke, dass dieses Urteil
auch die Praxis im Bundestag betreffe. Der damals beteiligte
Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch, selbst ein ehemaliger
CDU-Bundestagsabgeordneter, sagte dem Magazin dagegen: „Ich halte das
für eine Entscheidung, die für alle Parlamente gilt.“ Auch in dem
angesehenen Grundgesetzkommentar von Maunz/Dürig heißt es, die
„Besorgnisse“ des Verfassungsgerichts dürften „gleiches Gewicht
haben, unabhängig von der Frage, aus welchem Etat (Bundestag/Landtag
oder Fraktion) Funktionszulagen bezahlt werden“.
Pressekontakt:
stern-Reporter
Hans-Martin Tillack
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