Osnabrück, 9. Juni 2015 – „Heute sind 30 bis 40-jährige Vertriebsmitarbeiter am Ruder, die mit Video- und Computerspielen groß geworden sind. Unternehmen sollten das nutzen. Gerade im Vertrieb und im Preismanagement bringt Gamification – das Übertragen von Motivationstechniken und Designprinzipien aus Videospielen in den Arbeitsalltag – dem Unternehmen Wachstum, und zwar mit vergleichsweise wenig Aufwand“, ist Prof. Oliver Roll von der Unternehmensberatung Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants überzeugt. Erste Ansätze zur Gamifizierung im Vertrieb gibt es bereits: So hat das Unternehmen Nitro for Salesforce sein CRM um einen Fortschrittsbalken und virtuelle Auszeichnungen erweitert, um den Vertrieb zu motivieren und bessere Serviceleistungen zu erzielen. Speziell für das Preismanagement wurden jedoch bisher keine gamifizierten Softwaresysteme entwickelt. „Dabei gibt es im Pricing jede Menge vergleichsweise monotone Prozesse, die von etwas spielerischer Motivation durchaus profitieren könnten“, sagt Preisexperte Roll. Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Beispiel eines mittelständischen Unternehmens der chemischen Industrie.
Beispiel: Gamifizierte Preisdurchsetzung von Innovationen in der chemischen Industrie
Per Zielpreissystem bestimmt ein mittelständisches Unternehmen der chemischen Industrie für jedes Produkt einen Angebotspreis. Das Management möchte die Preisqualität und den Preisprozess bei Innovationen verbessern. Das Pricing von Innovationen ist anspruchsvoll, da es noch keine Marktpreise gibt. Die Aufgabe: Der Vertrieb soll innerhalb eines Jahres Neukunden für Innovationen gewinnen, ohne den Preisindex – das Verhältnis aus Ist-Preis zu Ziel-Preis – spürbar zu verschlechtern. Gleichzeitig sollen die Vertriebsmitarbeiter rund 250 bis 300 Preisumfragen durchführen, um ein besseres Bild der Marktpreise zu bekommen. Zur Erfüllung der Aufgabe setzt das Management gezielt Spieledesignelemente ein, die den kollegialer Wettbewerb anregen: Ein Leaderboard zeigt allen Vertriebsmitarbeitern wöchentlich den Stand und den Erfolg des Innovations-Pricing im laufenden Geschäftsjahr.
Das Leaderboard visualisiert drei Kennzahlen: Preisindex, Neukunden und Umfragen-Feedback – jeweils einmal global für den gesamten Vertrieb und für jeden einzelnen Vertriebsmitarbeiter. Die Erreichung der Gesamtziele bei Neukunden und Feedback stellt das Leaderboard als Fortschrittsbalken dar. Es zeigt jedem einzelnen Mitarbeiter, inwieweit er zur Zielerreichung beigetragen hat. Der Außendienstmitarbeiter mit der besten Kombination aus Kennzahlen ist dabei immer oben in der Liste – was von den Kollegen im Vertrieb durchaus wahrgenommen wird. „Die Darstellung der Kennzahlen auf Mitarbeiterebene ist sehr wichtig, denn jeder soll sehen, inwieweit die Kollegen die teilweise in Konflikt stehenden Ziele bei der Neukundenakquise und der Preisqualität verbinden konnten. Dieses so genannte Peer Pricing hilft, im Team gemeinsam ein optimales Preisniveau für Innovationen gegenüber den Zielvorgaben zu finden“, erläutert Roll. Da nur die Vertriebsleitung die Zielpreise anpassen darf, erhalte diese zusätzlich ein zeitnahes internes Feedback, wenn die Mitarbeiter einzelne Zielpreise im Markt überhaupt nicht durchsetzen können und um Anpassung der Zielpreise bitten. Das „Fleißziel“ der Kundenbefragung ermögliche es dagegen auch weniger erfahrenen oder talentierten Mitarbeitern, am positiven Gesamtergebnis aktiv mitzuarbeiten. Roll: „Das Beispiel zeigt, dass Gamifizierung im Vertrieb und Pricing kein unerreichbares Ideal ist, für das Unternehmen großen Aufwand betreiben müssen. Wo immer Preisprozesse in einem Unternehmen ablaufen, sollten ohnehin bereits IT-Werkzeuge eingesetzt werden. Auch das Beispielunternehmen muss die bestehende Unternehmenssoftware weder ersetzen noch anpassen, solange es bereits über ein flexibles BI-Werkzeug für Auswertungen verfügt.“
Gamification lohnt sich, aber auf die richtige Umsetzung kommt es an
„Es zahlt sich für Unternehmen aus, im Pricing mit einfachen spieletypischen Techniken zusätzliche Motivation bei den Mitarbeitern zu erzeugen.“, sagt Roll. Gamification liege im Trend, doch von einer ernsthaften Umsetzung seien die Unternehmen noch fünf bis zehn Jahre entfernt. Für den Pricingexperten ist Gamification kein Selbstzweck. Hat sich ein Unternehmen dafür entschieden, komme es auf die professionelle Umsetzung an. Roll empfiehlt dabei ein Vorgehen in drei Schritten: „Am Anfang steht die klare Definition der strategischen Ziele, die schriftlich fixiert werden sollten. Zweitens müssen die Geschäftsziele in konkrete Verhaltens- oder Einstellungsziele übersetzt werden. Dabei gilt es die Besonderheiten der Zielgruppe und den Arbeitskontext zu erfassen: Welche potenziellen Spielertypen – zum Beispiel Wettbewerber, Networker oder Entdecker – sollen angesprochen werden? Vor dem Hintergrund der Geschäftsziele und der konkreten Verhaltensziele kann das Unternehmen drittens das Gamedesign entwickeln. Dabei sollte es die relevanten Spiele-Elemente eng auf die potenziellen Spielertypen abstimmen.“ Grundsätzliche Erfolgsfaktoren der Gamification sind für Roll die Verbindung mit persönlichen Zielen, das gemeinsame Interesse, interessante, individuelle und teamorientierte Aufgaben, Erreichbarkeit und Freiwilligkeit. Die Erfahrung zeige außerdem, dass gerade die Kombination von Gamification und realen, aber moderaten Incentives, zum Beispiel ein Fahrtraining auf dem Nürburgring für den ‚Preis-Champion’, den notwendigen Kick liefern können, um anspruchsvolle Ziele zu erreichen.