Es gerät leicht in Vergessenheit, aber Muammar
al-Gaddafi war nicht immer der Paria, mit dem sich der Westen auf
keinen Fall einlassen wollte. Es ist noch nicht so lange her, da
sahen ihn die Amerikaner als nützlichen Partner im „Krieg gegen den
Terror“ – zumindest die Riege um George W. Bush: Sie gab der CIA
grünes Licht, mit den Geheimdiensten Gaddafis zu kooperieren. Gezielt
wurden libysche Terrorverdächtige aus dem Ausland in ihre Heimat
gebracht, obwohl man wusste, dass sich die Folterschergen dort nicht
um Menschenrechte scherten. Das Kapitel erinnert an Lateinamerika, an
Despoten vom Schlage Pinochets oder Somozas, denen das Weiße Haus
lange die Treue hielt, obwohl sie Blut an den Händen hatten. Damals
prägte die Angst vor dem Kommunismus das Denken in Washington. Nach
dem 11. September 2001 wurde alles dem weltweiten Ringen mit
fanatischen Islamisten untergeordnet. Und weil Gaddafi ein Feind
dieses Feindes war, wurde er, wenn nicht ein Freund, zumindest ein
Zweckverbündeter. Die CIA würde sie gern vergessen, diese unrühmliche
Saga mit ihren zynischen Episoden. Es sieht nicht danach aus, als ob
das gelingen könnte. Mit dem Aufbruch Arabiens hat die Aufarbeitung
wohl erst richtig begonnen.
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