Rheinische Post: Kommentar / Merkels Jahr der Sozialdemokratie = Von Horst Thoren

Das neue Jahr wird sozialdemokratisch. Das
glaubt auch die Kanzlerin – zumindest lässt ihre Neujahrsansprache
diese Deutung zu. So viel Wir-Gefühl hat vormals nur Johannes Rau
verbreiten können. So wird mit Merkels Hilfe die SPD – unabhängig von
schlechten Umfragewerten und Wahlergebnissen – zur prägenden Kraft
deutscher Politik. Sigmar Gabriel regiert nicht nur mit. Er bestimmt.
Die Rente mit 63, der Mindestlohn, die eine Wohltat hier, die andere
Großzügigkeit dort – SPD-Vorstellungen sind in dieser Regierung
Gesetz. Und für 2015 gilt, was die Kanzlerin sagt: Weiter so! Wir
können stolz sein! Schließlich schafft Deutschland die schwarze Null
(dank niedriger Zinsen), sind wir Weltmeister (zumindest im Fußball),
ist die integrative Kraft (trotz „Pegida“) enorm und die
Hilfsbereitschaft (nicht nur für Flüchtlinge) beispielgebend. Gestört
wird die Eintracht nur von der CSU – mit Mütterrente, Maut und
konservativer Abgrenzung. Da ist die Gefahr groß, dass 2015 verspielt
wird, was Schröder mit Hartz IV und der Agenda 2010 erkauft hat: Die
Basis für Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Das träfe alle und
wäre in keinem Fall sozial gerecht. Merkel hat nicht einmal die
Kraft, den Soli zurückzugeben. Wird 2015 das Jahr der
Sozialdemokratie, könnte schon 2017 das Wahljahr der AfD sein.

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