Rheinische Post: Keine allzu radikalen Reformen Kommentar Von Kirsten Bialdiga

Die NRW-SPD rückt mit ihrem neuen Wahlprogramm
nach links. Der mitgliederstärkste Landesverband der Partei will
unter anderem Hartz IV abschaffen, den Mindestlohn erhöhen, den
Bildungsetat kräftig aufstocken. Es ist die Konsequenz aus den
Wahlniederlagen der vergangenen Jahre – bei der Europawahl erzielte
die einst gerade in NRW so stolze SPD nur gut 19 Prozent. Diese
Konsequenz leuchtet ein: Obwohl die Partei viele ihrer Vorstellungen
in der Groko zuletzt durchsetzen konnte, honorieren die Wähler das
nicht. Der Mitte-Kurs macht die Sozialdemokraten zu verwechselbar.
Die Auswirkungen waren auch in NRW zu spüren. Selbst die
Stammklientel im Ruhrgebiet kehrte der Partei zunehmend den Rücken.
Dort zeigen sich in NRW die Folgen der ungleichen Einkommens- und
Vermögensverteilung am deutlichsten. Es ist folgerichtig, dass die
Landes-SPD sich auf ihren Markenkern besinnt: Aufstieg durch Bildung,
Chancengerechtigkeit, Umverteilung durch einen starken Staat,
Solidarität mit den Schwachen. Es ist aber auch richtig, dass Wahlen
in der Mitte gewonnen werden. Wenn es den Sozialdemokraten nicht
gelingt, zugleich Teile der bürgerlichen Mitte davon zu überzeugen,
dass diese – auch finanziell – zum Zusammenhalt der Gesellschaft
beitragen müssen, wird der Linksruck nicht viel nutzen. Bei dieser
Überzeugungsarbeit kann es helfen, auf klassenkämpferische Floskeln
von anno dazumal zu verzichten und von allzu radikalen Reformen
Abstand zu nehmen. Zum Beispiel von einem Komplett-Umbau der
Sozialsysteme, der mit dem Ende von Hartz IV verbunden wäre. Oder von
einer Schule für alle, die das Bildungssystem vom Kopf auf die Füße
stellte. Mit solchen Forderungen wird die NRW-SPD für ihren neuen
Kurs auch in ihrer eigenen Partei bundesweit nur schwer den nötigen
Rückhalt finden.

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