Rheinische Post: Ende eines Potentaten

Tunesiens Machthaber Ben Ali hat sich aus dem
Staub gemacht, ist nach 23 Jahren Herrschaft wie ein Dieb durch die
Hintertür entwischt. Nach wochenlangen Demonstrationen, die sich
weder durch brutale Einschüchterung noch durch schöne Versprechungen
von mehr Freiheit und Wohlstand eindämmen ließen, muss er schließlich
begriffen haben: Das Spiel ist aus. Der Mann, der sich im Ausland als
westlich orientierter Reformer feiern ließ, stand im eigenen Volk
zuletzt nur noch für hemmungslose Korruption, politische Lügen,
Skrupellosigkeit und Repression. Seine Flucht ist ein Sieg der
Tunesier. Gewiss, es hat Steinwürfe gegeben, Randale,
Brandstiftungen. Aber im Wesentlichen ging die Gewalt von der Polizei
aus und richtete sich gegen unbewaffnete Demonstranten, die
mehrheitlich friedlich protestierten. Nun kann man nur hoffen, dass
die Lage nach der überstürzten Flucht des einstigen starken Mannes
nicht völlig außer Kontrolle gerät und es einen geordneten Übergang
zu einer neuen, glaubwürdigen Führung in Tunesien gibt. Das wäre auch
ein wichtiges Signal für die gesamte Region. Wachsende
Perspektivlosigkeit, Unterdrückung und verkrustete Strukturen könnten
auch in Ländern wie Algerien, Marokko oder Ägypten schon bald zu ganz
ähnlichen Zuständen führen wie in Tunesien.

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