Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass der in
Köln-Chorweiler festgenommene Tunesier Seif H., einen Anschlag
verüben wollte. „Hier gab es schon ganz konkrete Vorbereitungen zu
einer solchen Tat, mit einer, wenn Sie so wollen, Biobombe. Und das
ist schon ein in Deutschland einmaliger Vorgang“ sagte BKA-Präsident
Holger Münch dem rbb-Inforadio. „Es gibt entsprechende Anleitungen
dazu, auch von islamistischen Organisationen im Internet, wie man so
etwas tut. Daran hat sich diese Person offensichtlich auch
orientiert“. Der Mann habe bereits damit begonnen, Rizin
herzustellen. Außerdem habe man die Utensilien für die Herstellung
eines Sprengsatzes gefunden. „Welches konkrete Tatziel in den Blick
genommen wurde, dass wissen wir noch nicht“, so Münch. „Auch die
Frage zu weiteren Verbindungspersonen, Mittätern, auch das ist noch
offen“. Das würden die weiteren Ermittlungen hoffentlich zeigen. Der
Fall sei ein gutes Beispiel für die gute Zusammenarbeit der
Sicherheitsbehörden – national wie international sagte der
BKA-Präsident. Ein ausländischer Partnerdienst hatte dem Bundesamt
für Verfassungsschutz gemeldet, dass Seif H. im Internet Bestandteile
zum Bau eines Sprengsatzes geordert hatte. Mit Blick auf die
Rizinussamen sei die Frage, ob man „das Monitoring gegebenenfalls
noch erweitern müsse“, sagte Münch, das prüfe man zur Zeit mit dem
Bundesinnenministerium. „Auch festgemacht an der Frage, wie stark ist
das Risiko, dass auch andere sich von solchen Anleitungen leiten
lassen“.
Sorge bereiten dem BKA die hohe Zahl von radikalisierten
Einzelpersonen, die es im Auge zu behalten gelte. „Der große geplante
Anschlag, so wie wir das in Paris und Brüssel erlebt haben, den
halten wir mittlerweile nicht für völlig unwahrscheinlich, aber
weniger wahrscheinlich, weil der sogenannte Islamische Staat doch
schon sehr geschwächt ist“. Aktuell sind 770 Personen als Gefährder
eingestuft, so der BKA-Präsident.
Münch betonte im Interview mit dem rbb-Inforadio die Bedeutung der
Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung des Terrorismus und
anderer schwerer Straftaten, wie der Kinderpornographie. „Im Bereich
der Kinderpornographie haben wir Delikte mittlerweile komplett im
Netz, das heißt wir sind auf die IP-Adressen angewiesen, um überhaupt
einen Täter identifizieren zu können“. Im vergangenen Jahr habe man
über 35.000 Hinweise aus den USA auf kinderpornographisches Material
erhalten. Davon habe man über 20.000 Fälle als nach deutschem Recht
strafbar eingestuft. „Von diesen Fällen haben wir über 8.000 nicht
ermitteln können, weil die IP-Adresse nicht mehr gespeichert war“.
Der BKA-Präsident sprach sich außerdem für eine Harmonisierung der
Landespolizeigesetze aus. „Zur lückenlosen Überwachung eines
Gefährders, dann wenn wir sagen, von dem geht wirklich ein höheres
Anschlagsrisiko aus, im Zweifel auch eine Telefonüberwachung gehört.
Das dürfen aber verschiedene Länder laut Polizeigesetz gar nicht“.
Läuft die Kommunikation über kryptierte Kanäle, wie Messenger
Dienste, brauche man über eine Quellenkommunikationsüberwachung. „Und
dann sind Sie nur noch bei einer Handvoll Länder, die das dürfen“.
Das Gespräch mit Münch wird am Mittwoch um 10.45 Uhr im
rbb-Inforadio ausgestrahlt.
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