Ohne Reformen bleiben vier von zehn Arztstellen
unbesetzt / Pflegenotstand lässt sich nur durch Zuwanderung aus dem
Ausland abwenden / Parallele ambulante und stationäre Versorgung ist
nicht zukunftsfähig /
Der sich abzeichnende Fachkräftemangel im Gesundheitswesen macht
einen grundlegenden Umbau des Systems unvermeidlich. Bereits 2020
werden in Deutschland nach Vollzeitstellen berechnet fast 56.000
Ärzte sowie 140.000 Pflege- und andere nicht-ärztliche Fachkräfte
fehlen. Bis 2030 droht die Personallücke in der Gesundheitsversorgung
sogar auf über 950.000 Fachkräfte anzuwachsen, wie aus einer Studie
der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zusammen mit
dem Darmstädter WifOR-Institut, einer Ausgründung des Lehrstuhls von
Prof. Bert Rürup, hervor geht. Dabei ist der Personalbedarf in der
Altenpflege in diesen Zahlen noch nicht einmal berücksichtigt.
Verantwortlich für den Fachkräftemangel ist in erster Linie der
demografische Wandel. Die Alterung der Gesellschaft lässt die
Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen steigen. Gleichzeitig
gehen in den kommenden Jahren immer mehr Fachkräfte in den Ruhestand,
ohne dass ausreichender Nachwuchs zur Verfügung steht.
„Der Fachkräftemangel ist bei Weitem größer, als wir das
befürchtet haben. Tun wir nichts, werden sich die Wartezeiten beim
Hausarzt bis 2030 verdoppeln. In den Krankenhäusern werden die
Schwestern dann durchschnittlich 60 Stunden in der Woche arbeiten
müssen, wenn die Versorgungsqualität nicht absinken soll“, erläutert
Harald Schmidt, Partner und Gesundheitsexperte bei PwC.
Der prognostizierte Personalmangel im Jahr 2030 würde nicht nur zu
einer katastrophalen Versorgungssituation der Patienten und
dramatischen Überlastung der verbliebenen Fachkräfte führen, sondern
auch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Den
Berechnungen zufolge geht der Gesamtwirtschaft bis 2030 auf Grund des
Fachkräftemangels eine Wertschöpfung in Höhe von 35 Milliarden Euro
verloren.
Für die Studie „Fachkräftemangel im Gesundheitswesen“ hat WifOR im
Auftrag von PwC mehr als 20 Millionen Datensätze zu Arbeitsmarkt,
Altersstruktur und Ausbildungsentwicklung der ärztlichen und
nicht-ärztlichen Fachkräfte im Gesundheitswesen analysiert und bis
zum Jahr 2030 fortgeschrieben.
MVZ statt Praxis und Klinik
Da ambulante und stationäre Einrichtungen auf dem Arbeitsmarkt
künftig um immer weniger Fachkräfte konkurrieren, lässt sich die
gegenwärtige parallele Versorgungsstruktur nicht aufrecht erhalten.
Ohne Änderungen im System bliebe 2030 etwa jede dritte Arztstelle in
Kliniken unbesetzt, in Praxen sogar jede zweite. Vor allem in
ländlichen Gebieten sollten daher Medizinische Versorgungszentren
(MVZ) unterschiedlichster Trägerschaft ausgebaut werden, und
Krankenhäuser und Einzelpraxen ersetzen. Die Versorgung in der Fläche
könnten Landärzte übernehmen, die gezielt finanziell gefördert
werden.
Auch bei den nicht-ärztlichen Fachkräften ist eine gravierende
Unterversorgung absehbar. Im Jahr 2030 werden mehr als 200.000
Sprechstundenhilfen und über 45.000 Laborkräfte fehlen. Dramatisch
ist die Entwicklung im Pflegebereich. Fehlen hier bereits im Jahr
2020 über 174.000 Krankenschwestern, -pfleger und Hilfspflegekräfte,
werden es 2030 annähernd 480.000 zu wenig sein.
Ohne Zuwanderung geht es nicht
Um einen Pflegenotstand abzuwenden, ist das deutsche
Gesundheitssystem auf zusätzliche Pflegekräfte aus dem Ausland
angewiesen. Allerdings wird die Erleichterung von Einreise- und
Arbeitserlaubnisbestimmungen allein nicht dazu führen, dass mehr
ausländische Pflegerinnen und Pfleger kommen. Vielmehr müssen sich
auch Bezahlung und Arbeitsbedingungen verbessern, damit Deutschland
im zu erwartenden internationalen Wettbewerb um Pflegekräfte
mithalten kann.
„Mehr Geld wird es für das Gesundheitssystem insgesamt nicht
geben. Um die Herausforderungen dennoch bewältigen zu können, müssen
die vorhandenen Ressourcen intelligenter eingesetzt werden“,
kommentiert Schmidt.
Effizientere Strukturen, attraktivere Arbeitsbedingungen
Um den drohenden Fachkräftemangel zu vermeiden oder wenigstens
abzumildern, muss einerseits die Beschäftigung im Gesundheitswesen
attraktiver werden. Andererseits gilt es, die Versorgung effizienter
zu machen, um den Personalbedarf zu verringern. Die engere Verzahnung
von stationärer und ambulanter Versorgung beispielsweise könnte nicht
nur Wartezeiten verkürzen, sondern auch Doppeluntersuchungen
vermeiden. So würden weniger personelle und finanzielle Ressourcen
gebunden.
Dabei können effizientere Strukturen durchaus einen Beitrag zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen leisten. So würde die konsequente
Umstellung auf die elektronische Krankenakte nicht nur den
Informationsfluss beschleunigen, sondern zudem Ärzte von
zeitraubenden und vielfach als lästig empfundenen Verwaltungs- und
Dokumentationsaufgaben befreien.
Allerdings gibt es auch vielfältige Ansatzpunkte für eine direkte
Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Handlungsbedarf besteht beim
Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bislang ist Teilzeitarbeit
im Gesundheitswesen die häufigste Antwort auf die Doppelbelastung
durch Arbeit und familiäre Pflichten. Sinnvoller wäre jedoch der
Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten, um das Fachkräftepotenzial
insbesondere bei Frauen besser auszuschöpfen.
„Neben dem Anwerben von ausländischen Fachkräften kann kurzfristig
nur eine weitere Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit dem
Fachkräftemangel entgegenwirken. Dazu müssen flexible
Arbeitszeitmodelle eingeführt und eine verbesserte Kinderbetreuung
angeboten werden“, erklärt Dr. Dennis Ostwald, Arbeitsmarktexperte
des Forschungsinstituts WifOR.
Nicht zuletzt müssen Staat und Arbeitgeber auch auf eine
Verlängerung der effektiven Lebensarbeitszeit hinwirken. Insbesondere
im Pflegebereich müssen Arbeitsabläufe und -organisation optimiert
werden, um gesundheitsbedingte Frühverrentungen und
Arbeitsunfähigkeiten so weit wie möglich zu vermeiden.
Redaktionshinweis:
PwC bietet branchenspezifische Dienstleistungen in den Bereichen
Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung. Dort
schaffen wir für unsere Mandanten den Mehrwert, den sie erwarten.
Mehr als 161.000 Mitarbeiter in 154 Ländern entwickeln in unserem
internationalen Netzwerk mit ihren Ideen, ihrer Erfahrung und ihrer
Expertise neue Perspektiven und praxisnahe Lösungen. In Deutschland
erzielt PwC an 29 Standorten mit 8.700 Mitarbeitern eine
Gesamtleistung von rund 1,33 Milliarden Euro.
PwC kommuniziert in Zukunft einfacher, klarer und kürzer und hat
daher den Namen von PricewaterhouseCoopers in PwC geändert. Im Text
mit großem –P– und großem –C– – nur im Logo sind alle Buchstaben
kleingeschrieben.
WifOR ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut, das als
Ausgründung aus dem Lehrstuhl Finanz- und Wirtschaftspolitik von
Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup entstanden ist. Die TU Darmstadt
ist offizieller Kooperationspartner von WifOR. Das Forschungsinstitut
wird seit der Gründung im Februar 2009 von Herrn Dr. Dennis A.
Ostwald, einem langjährigen Mitarbeiter von Herrn Prof. Rürup,
geleitet. Zurzeit sind für WifOR acht Mitarbeiter in den
verschiedenen Forschungsfeldern tätig. Die Forschungsschwerpunkte des
Instituts liegen insbesondere in der Korruptionsprävention, in
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, der Arbeitsmarktforschung sowie
der Gesundheitswirtschaft. Bei den diversifizierten
Forschungstätigkeiten steht neben einer starken empirischen
Fundierung vor allem die Visualisierung der Wirtschaftsdaten im
Vordergrund.
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