In der öffentlichen Diskussion um das
Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) sind bislang die
geplanten Angriffe auf die Arzneimittel- und Patientensicherheit
durch die vorgesehene Änderung der Packungsgrößenverordnung und die
Aufweichung der aut-idem-Regelung weitgehend unbeachtet geblieben. In
der jetzigen Form würden aber beide erhebliche negative Auswirkungen
auf die Arzneimittelsicherheit und damit auf die Patienten haben. Zu
diesem Ergebnis kommen zwei Gutachten, die Professor Dr. Dr. med.
Wilhelm Kirch, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie an
der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und
Professor Dr. rer. nat. Hartmut Morck, Fachbereich Pharmazie der
Philipps-Universität Marburg, im Auftrag des Branchenverbandes Pro
Generika erstellt haben.
Besonders bedenklich ist die Änderung der aut-idem-Regelung,
wonach der Apotheker künftig auch dann ein Arzneimittel gegen ein
rabattbegünstigtes Medikament austauschen muss, wenn es in nur einer
Indikation mit dem verordneten Präparat identisch ist. Patienten
bekämen damit auch Medikamente, in deren Packungsbeilage ihre eigene
Krankheit nicht einmal aufgeführt ist. „Wird diese Änderung
umgesetzt, würde das die Patienten völlig verunsichern“, kommentiert
Prof. Kirch diesen Teil des bisherigen Gesetzentwurfes. „Im Ergebnis
kann dies dazu führen, dass sie ihre Arzneimittel mangels Information
über- oder unterdosieren und damit eine Verschlechterung ihres
Krankheitsbildes erleiden.“ Mehr noch: Prof. Kirch befürchtet, dass
die neue Regel das Patienten-Arzt-Verhältnis massiv gefährdet. „Nach
dem Lesen der Packungsbeilage muss der Patient davon ausgehen, dass
sein Arzt ihm ein Arzneimittel verordnet hat, das bei seiner
Krankheit nicht angewendet werden darf, ihn also schädigt. In dem
Glauben, ein falsches Arzneimittel erhalten zu haben, bricht der
Patient dann die dringend notwendige Therapie im schlimmsten Fall
eigenmächtig ab.“ Kirch empfiehlt daher, den Gesetzentwurf so zu
ändern, dass auch künftig nur Arzneimittel ausgetauscht werden
dürfen, wenn das abzugebende Medikament alle Indikationen des
verordneten abdeckt.
Darüber hinaus soll mit dem AMNOG die komplette Systematik der
Packungsgrößen neu geordnet werden. Dies würde unter anderem dazu
führen, dass Ärzte künftig Arzneimittelpackungen verordnen könnten,
die eventuell bis zu 1.200 Tabletten beinhalten – mit den
entsprechenden Auswirkungen auf die Therapietreue und das ärztliche
Monitoring, bis hin zu logistischen Konsequenzen für pharmazeutische
Großhandlungen, Apotheken und Hersteller. „Die neue Verordnung würde
nicht nur das bisherige bewährte System verwässern, sie böte auch
weder für den Patienten noch für den Arzt einen wie auch immer
erkennbaren Nutzen“, kommentiert Prof. Morck die vorgeschlagenen
Regelungen. „Dagegen würden sie mit Sicherheit die Patienten
erheblich verunsichern und eine Fülle von zusätzlichen
Beratungsgesprächen durch Ärzte und Apotheker erfordern.“ Prof. Morck
empfiehlt daher, die entsprechende Regelung aus dem AMNOG
herauszunehmen und sie zunächst mit Fachleuten im
„pharmakologisch-medizinischen Rahmen zu diskutieren.“
Vor diesem Hintergrund ist es besonders bemerkenswert, dass beide
geplanten Änderungen nicht aus medizinischen oder pharmakologischen
Gründen erfolgen, sondern ausschließlich dazu dienen sollen, die
Arzneimittelrabattverträge ohne Rücksicht auf Sicherheitsrisiken
durchzusetzen.
Pro Generika appelliert an die Koalition, die Gesetzesvorhaben
noch einmal intensiv zu überdenken. Arzneimittelsicherheit und
Patientenschutz müssen jederzeit Vorfahrt haben!
http://www.progenerika.de/de/presse/2010-09-22.html
Pressekontakt:
Dr. Stefan Plantör, Bereichsleiter Markt und Wissenschaft, Tel: (030)
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