Pressemitteilung der Bundesärztekammer / Experten fordern fachkundige und unabhängige Beratung bei Gentests aus dem Internet

Den meisten Gentests, die direkt über das Internet
angeboten werden – sogenannten Direct to Consumer“-Tests (DTC-Tests)
-, liegt keine fachgerechte ärztliche Beratung zugrunde. „Das führt
oftmals zu einer Fehlinterpretation der Testergebnisse“, erklärte
Prof. Dr. Thomas Cremer vom Biozentrum der
Ludwig-Maximilians-Universität München am Donnerstag auf dem 35.
Interdisziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“
der Bundesärztekammer in Berlin. In Deutschland seien die
DTC-Angebote nicht ohne Grund durch den im Gendiagnostikgesetz
verankerten Facharztvorbehalt untersagt. Bei den DTC-Tests schicken
Interessenten eine DNA-Probe an ein zumeist US-amerikanisches Labor,
wo das Material analysiert wird. Der Einsender erhält dann unter
anderem Informationen darüber, ob er Anlageträger für bestimmte
Erbkrankheiten ist oder ob sein genetisch bedingtes Risiko für
bestimmte Krankheiten wie Altersdiabetes, Alzheimer-Krankheit,
Herzinfarkt oder Krebserkrankungen erhöht ist. „Das Problem dabei
ist, dass nur ein geringer Teil des persönlichen Risikos geklärt
werden kann, da die Entstehung dieser multifaktoriellen Erkrankungen
in hohem Maße von Umwelteinflüssen und epigenetischen Mechanismen der
Genregulation abhängt“, erklärte Cremer.

Der Ausschluss von bestimmten Risikofaktoren biete deshalb keine
Garantie dafür, dass die in Frage stehende Krankheit nicht doch
auftreten könnte. Umgekehrt sei es zwar möglich, ein genetisch
erhöhtes Risiko für das Auftreten einer bestimmten multifaktoriellen
Krankheit wie Altersdiabetes durch einen veränderten Lebensstil zu
verringern. Bei anderen häufigen Erkrankungen, wie z.B. der
Alzheimer-Krankheit und mit wenigen Ausnahmen auch bei den meisten
Krebserkrankungen, gäbe es bislang keine klaren Möglichkeiten einer
Vorbeugung durch persönliche Wahl eines besonderen Lebenstils.
Absehbar seien hier derzeit nur Verbesserungen der Frühdiagnose.
„Angesichts der noch immer geringen Aussagekraft genetischer
DCT-Tests bei den meisten dieser multifaktoriellen Erkrankungen ist
es erstaunlich, mit welchem Optimismus einige führende Humangenetiker
in den U.S.A. solche Tests empfehlen“, sagte Cremer. Dabei bestehe
die Gefahr, dass gewinnorientierte Gesundheitsunternehmen, Menschen
auf Grund vager genetischer Risikoaussagen zum Kauf von Vitaminen,
Mineralstoffen und anderen Nahrungsergänzungsmitteln oder zum
Gebrauch angeblich vorbeugender Arzneimittel verleiten. „Um
Ergebnisse genetischer DTC-Tests und den Nutzen teurer,
prophylaktischer Maßnahmen beurteilen zu können, benötigen die
Menschen eine sachkundige, von finanziellen Interessen freie
Beratung“, sagte Cremer.

Auch Dr. Verena Steinke vom Institut für Humangenetik des
Universitätsklinikums Bonn betonte, dass sich nicht jeder prädiktive
Test für die Krankheitsprävention eigne. „Eine prädiktive Diagnostik
ist nur dann sinnvoll, wenn die Untersuchung tatsächlich einen
Vorhersagewert besitzt, eine Krankheitsdisposition ausgeschlossen
werden kann und es effektive Präventionsmöglichkeiten für die
Erkrankung gibt“, erklärte die Fachärztin für Humangenetik auf dem
Forum. Eine solche gezielte prädiktive Diagnostik ermögliche zwar,
dass künftig Vorsorgemaßnahmen individuell abgestimmt werden könnten,
um das Auftreten der Krankheiten oder Folgeschäden zu vermeiden. Doch
bislang erfüllten die genannten Maßgaben nur wenige Tests. „Deshalb
muss bei einer Untersuchung abgewogen werden, welche Vorteile ein
prädiktiver Gentest für den Betroffenen hat und welche
gesundheitsökonomischen Effekte zu erwarten sind“, erklärte Steinke.

Ein Video-Clip zum Thema „Genetische Diagnostik“ kann ab Montag,
7. Februar, auf dem Youtube-Kanal der Bundesärztekammer unter
http://youtube.com/BAEKclips oder unter www.bundesaerztekammer.de
abgerufen werden.

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