Opferforum des WEISSEN RINGS verabschiedet Resolution: Sparen an Gewaltopfern ist unverantwortlich

Körperliche und seelische Verletzungen stellen oft
schwerwiegende Belastungen für Opfer von Gewalttaten dar. Hierfür
bieten die Leistungen des Opferentschädigungsgesetzes (OEG), die im
Bundesversorgungsgesetz (BVG) definiert sind, heute schon eine gute
soziale Sicherung. Dennoch: Lange Dauer und Ausgestaltung der
Verfahren führen häufig dazu, dass Opfer dringend benötigte
Leistungen nicht zeitnah erhalten.

Der WEISSE RING veranstaltete am 11. und 12. Oktober 2010 in Mainz
eine Fachtagung, um mit Experten aktuelle und bedeutsame Fragen für
Kriminalitätsopfer zu diskutieren. Das 21. Opferforum stand unter dem
Motto „Moderne Opferentschädigung – Betrachtungen aus
interdisziplinärer Perspektive“. Dabei gelang es der
Opferschutz-Vereinigung führende Fachleute aus Politik, Justiz,
Polizei, Verwaltung, Medizin, Psychologie und Wissenschaft
zusammenzuführen.

In einer Resolution forderten die rund 90 Teilnehmer aus den
verschiedenen Fachgebieten vereint den Gesetzgeber zu Verbesserungen
im Opferentschädigungsrecht auf. Eine Modernisierung dürfe aber nicht
zu Rückschritten in den Leistungen für Opfer führen. Wer Gewalt
erlebt hat, muss bei Bedarf sofortige Hilfe durch fachkundige
Therapeuten erhalten. Auch seien Informationsoffensiven notwendig,
damit Opfer ihre Rechte überhaupt kennen.

Eine Weiterentwicklung des OEG/BVG ist nach Ansicht von Experten
dringend erforderlich, ihre Umsetzung wurde unter verschiedenen
Perspektiven diskutiert. Dr. Rolf Schmachtenberg vom
Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellte mehrere Optionen
einer künftigen modernen Opferentschädigung gegenüber. Die
Überlegungen reichen von der Beibehaltung des Status Quo, über
Verbesserungen der bestehenden Regelungen bis hin zu einem neuen
eigenständigen Gewaltopfergesetz. Prof. Dr. Reinhard Böttcher,
Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS, forderte das Ministerium auf,
sich an die Spitze einer die Interessen der Geschädigten wahrenden
Reformbewegung zu stellen, die dazu führen müsse, dass Opfer von
Kriminalität und Gewalt auch materiell besser unterstützt werden. Man
müsse sich dabei aber von dem Irrglauben lösen, dass eine solche
Reform „kostenneutral“ durchführbar sei. Eine Vereinfachung und
Verschlankung des bürokratischen Verfahrens könne schrittweise
erfolgen. „Ich sehe die Verantwortung bei der Wahrung von
Opferbelangen beim Bundestag und der Bundesregierung.“

In der abschließenden Podiumsdiskussion stellte Jerzey Montag
(MdB, Die Grünen) fest, dass sich eine Gesellschaft daran messen
lassen müsse, wie sie mit Gewaltopfern umgehe. Er bekannte sich
ebenfalls zur Resolution des Mainzer Opferforums und erklärte, „alle
Reformen aus den Ministerien dienen der Kosteneinsprung und sind
nicht kostenneutral, auch wenn sie uns so verkauft werden“. „Es ist
die Verpflichtung der Politik Opfer zu unterstützen“, stellte
Siegried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses im Deutschen
Bundestag und Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand des
WEISSEN RINGS, fest. Hier dürfe sich der Sparzwang nicht
niederschlagen.

Deutschland hat ein gut durchdachtes, im Leistungsrecht durch
zahlreiche Gesetzes-novellierungen neuen Bedürfnissen angepasstes
Opferentschädigungsrecht. Auch wenn noch in einigen Punkten
Ergänzungen und Verbesserungen wünschenswert und auch notwendig sind,
können die Regelungen insgesamt als hervorragend gelungen angesehen
werden. „Ja sie sind so sachgerecht, dass sie auch für eine
gesamteuropäische Lösung zur Richtschnur werden könnten“, erklärte
Peter Kummer, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a. D. und
Mitglied im Fachbeirat Sozialrecht des WEISSEN RINGS.

Der WEISSE RING hat seit 1976 mit derzeit 420 Anlaufstellen ein
bundesweites Hilfsnetz für Kriminalitätsopfer aufbauen können. Mehr
als 3.000 ehrenamtlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen
den Opfern und ihren Familien mit Rat und Tat zur Seite, leisten
menschlichen Beistand und persönliche Betreuung, geben Hilfestellung
im Umgang mit den Behörden und helfen den Geschädigten so bei der
Bewältigung der Tatfolgen. So ist der WEISSE RING seit seiner
Gründung für Hunderttausende von Betroffenen zu einem Rettungsanker
in oft aussichtslos erscheinenden Lebenssituationen geworden.

Gerne stellen wir Ihnen auch Fotomaterial der Veranstaltung zur
Verfügung. Weitere Informationen zum Opferforum und zur Arbeit von
Deutschlands einziger bundesweit tätiger Opferhilfe-Organisation sind
im Internet unter www.weisser-ring.de abrufbar.

Resolution des 21. Opferforums des WEISSEN RINGS:

Ausbau der Opferentschädigung

1. Sparen an Gewaltopfern ist unverantwortlich.

2. Ein modernes Opferentschädigungsrecht darf nicht zu
Rückschritten für Opfer führen.

3. Der Rechtsfolgenverweis im Opferentschädigungsgesetz (OEG) auf
das Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat sich in jahrzehntelanger Praxis
bewährt. An das BVG ist das gesamte soziale Entschädigungsrecht
angedockt.

4. Verbesserungen im Opferentschädigungsrecht sind gleichwohl
notwendig:

– Wer Gewalt erlebt hat, muss bei Bedarf sofortige Hilfe durch
fachkundige Therapeuten erhalten.

– Wichtig ist eine schnelle Leistungsgewährung, dazu gehören auch
vorläufige Leistungen und Vorschusszahlungen.

– Das Opferentschädigungsrecht muss auch neue Formen von
Kriminalität berücksichtigen, z. B. Nachstellungen (Stalking).

– Eine auf die Bedürfnisse der Opfer abgestellte Verwaltung ist
Voraussetzung für zügige Verfahrensabläufe.

5. Opfer können ihre Rechte nur wahrnehmen, wenn sie ihre Rechte
kennen. Informationsoffensiven sind notwendig.

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