NRZ: Abschied und neue Hoffnung – ein Kommentar von LOTHAR PETZOLD

Es schmerzt, macht traurig, bringt Nöte, Verdruss,
oft gar Hoffnungslosigkeit mit sich, wenn Firmen schließen,
Arbeitsplätze verloren gehen. Das alles trifft auch auf die Bergwerke
zu, aber in ihrem Umfeld ist alles noch viel tiefgehender: Mit dem
Schließen der Pütts stirbt ein Gutteil der Tradition unseres
Landstriches.

Die Region an der Ruhr und am Niederrhein hat der Kohle ihren
Aufschwung zu verdanken. Mit Kohle und Stahl wurden aus vergessenen
Marktflecken prosperierende Industriestädte, die Menschen aus ganz
Europa Arbeit, Brot und eine neue Heimat boten. Mehr als 200 Jahre
lang.

In seiner Blütezeit in den 1950er-Jahren waren im Bergbau rund
650.000 Menschen beschäftigt. Heute sind es keine 20.000 mehr. Und
2018 wird ganz Schluss sein mit dem Steinkohlenbergbau in Deutschland
– politisch gewollt.

Einhundert Jahre wurde in Kamp-Lintfort Kohle gefördert. Der
Bergbau gab der Stadt einzigartige Impulse und prägte die Menschen,
die Kultur und ihre Lebensart. 8600 Kumpel schufteten 1957 hier unter
Tage, Anfang des Jahres waren es noch 2300, heute sind es 1560 – und
gut 1300 werden nach dem anstehenden Förderende zu Zechen in Marl und
Bottrop wechseln. Jetzt ist Schluss.

Das alles in einem sozialen und verträglichen Rahmen, wie es schon
immer im Bergbau so Tradition war. Kein Kumpel durfte ins Bergfreie
fallen, für ihn wurde gesorgt. Dennoch: Der Abschied fällt schwer.

Bei den Kumpeln hieß es zwar „Vor der Hacke ist es duster“, aber
sie hatten schließlich „ihr Licht bei der Hand“, welches hell
leuchtete und sie ihren Weg finden ließ. Und neue Wege zeigen sich
auch jetzt auf. Auf alten Arealen stillgelegter Schachtanlagen
entsteht neues Leben. Für Kamp-Lintfort gibt es bereits einen
Masterplan. Gleich nebenan in Neukirchen-Vluyn entstehen neue und
moderne Wohnungen und Eigenheime auf altem Gelände. Die
Bergwerksmuttergesellschaft DSK arbeitet seit Jahren an und in neuen
Geschäftsfeldern. Die Schachtanlagen bieten eine Vielzahl von
interessanten Möglichkeiten. Sie reichen von Pumpspeicherwerken, in
denen Strom erzeugt werden kann, über die Nutzung von Schachtwärme
zur Gebäudeversorgung bis hin zu Gruben als Wärmespeicher. Auf den
Berghalden können Windräder gebaut werden, und Brachflächen bieten
sich für die Biomasseproduktion an. Alte Industrieflächen werden zur
Ansiedlung neuer Industrien genutzt.

Auf den Flächen kann neuer Wohnraum entstehen, vorstellbar sind
auch Grünflächen, Seen und Freizeitanlagen. Das Weltkulturerbe
Zollverein ist inzwischen ein beliebtes touristisches Ziel und lockt
Besucher ins Revier.

Das alles sind Zeichen der Hoffnung. Viel ist in Sachen
Strukturwandel in dieser Region schon geschehen. Es scheint, als ob
jetzt wieder ein neuer Schub kommt. Der Initiativkreis Ruhr hat mit
InnovationCity ein europaweit beachtetes Projekt zur energetischen
Sanierung eines ganzen Stadtteils in Bottrop angestoßen. Die
Computerindustrie hatte ihre Jahrestagung hier, in Dortmund siedeln
sich immer mehr Technologiefirmen an. Duisburgs Hafen hat sich zu
einem weltweit beachteten Logistikcenter entwickelt. Die Kliniken der
Region haben global einen herausragenden Ruf, die Patienten kommen
aus aller Welt. Diese Positiv-Liste ließe sich noch beliebig
verlängern.

Aus den Wurzeln und Hinterlassenschaften des Bergbaus erwächst
Neues. Packen wir es an. Glück auf!

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