Neues Konzept gegen Entdemokratisierung im Internet – Deutscher MedTech-Unternehmer zeigt Google die Zähne

Apps sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Zum Download geht man auf den Google Play Store (Android) oder auf den Apple AppStore ? wohin auch sonst? Denn die beiden amerikanischen Großkonzerne sind die Duopolisten im App-Markt. Doch bei weitem nicht jede App wird hier angeboten. Welche App Einzug halten darf und welche nicht, entscheiden Google und Apple nach eigenen Kriterien. ?Ich habe mich schon lange darüber geärgert, dass in Amerika darüber entschieden wird, welche Apps wir hier in Europa nutzen dürfen?, so Markus Bönig, CEO des MedTech-Unternehmens vitabook. ?Nach meinen Erlebnissen mit Google habe ich beschlossen, zusammen mit anderen ein zunächst deutsches und später europäisches Gegengewicht zu schaffen.?

Trotz deutschem Gerichtsurteil hat vitabook das Nachsehen
Die seit zwei Jahren kostenlos im Google Play Store und im Apple AppStore erhältliche und von vielen Ärzten und Patienten zur Therapieunterstützung genutzte App Patient Plus von vitabook war nach einer Erweiterung um eine Covid-19-Monitoring-Funktion am 9. April aus dem Google Play Store entfernt worden ? und zwar unter Berufung auf die ?Sensitive Events Policy? in allen Versionen. Unmittelbar eingereichte Beschwerden gegen die Sperrung blieben erfolglos. Selbst ein Gerichtsbeschluss hat bis heute nichts daran geändert, dass die App Patient Plus im Google Play Store nicht zu haben ist. Das Landgericht Köln erließ eine einstweilige Verfügung gegen Google, die es Google untersagt, die App für den Play Store zu sperren. Das Gericht sah in der Sperrung eine gezielte Behinderung der vitabook GmbH, da die App keinen unangemessenen Inhalt aufweise und daher nicht rechtskonform gesperrt werden dürfe.

Da sich rund anderthalb Monate nach der einstweiligen Verfügung noch immer nichts getan hatte, hat vitabook nun ein Beschwerdeschreiben an die EU-Kommission gesendet. ?Obwohl wir das Recht auf unserer Seite haben, wissen wir nicht, ab wann unsere App für Android-Smartphones wieder im Google Store gelistet sein wird?, ärgert sich Markus Bönig.

Initiative gegen Entdemokratisierung im Netz: DiGAApp.Store
Schon in einer Analyse der Autoren Ulrich Dolata und Jan-Felix Schrape von 2014 heißt es: ?Mit dem fulminanten Erfolg mobiler Geräte und Anwendungen setzt sich also der Trend zu einer Entdemokratisierung des Netzes fort: Die digitale Welt gleicht mehr und mehr einer Shopping-Mall, in der das Hausrecht privatwirtschaftlicher Anbieter gilt, das Entwickler wie Nutzer akzeptieren müssen, wenn sie mitspielen und alle dort gebotenen Vorteile nutzen wollen. Mit der ursprünglichen Idee eines offenen Internets hat das nur noch wenig gemein.? (https://gedankenstrich.org/wp-content/uploads/2014/06/Markt-und-Macht-in-der-App-Economy.pdf)

Neben vitabook sind noch zahlreiche andere App-Anbieter von Googles Politik betroffen. ?Es ist an der Zeit, die Macht der amerikanischen Schwergewichte zu brechen und Nutzungsdaten nicht länger nach Amerika fließen zu lassen?, findet Bönig. Gemeinsam mit den beiden Digitalunternehmern Prof. Kathrin Adlkofer und Dr. Ben Zacher hat er darum den unter www.digaapp.store erreichbaren DiGAApp.Store für digitale Gesundheitsanwendungen, also Gesundheits-Apps, entwickelt.

?Mit dem DiGAApp.Store möchten wir allen Anbietern von Apps mit Gesundheitsbezug ermöglichen, ohne Zensur von Google gefunden und heruntergeladen zu werden ? und damit den Nutzern selbst zu entscheiden, welche App sie haben möchten?, erklärt der vitabook-Chef. Künftig sollen hier die für einen App Store erforderlichen Basis-Funktionalitäten wie Push, Maps und In-App Käufe unabhängig von Google bereitgestellt werden. ?Damit erhält Google keine Einblicke mehr in die Erkrankungen der Patienten, die eine entsprechende App herunterladen.?