Neues Deutschland: zur Lage in Haiti

In Haiti gilt es zu retten, was noch zu retten ist.
Dass aus den Wahlen am 28. November noch ein geglückter
Neuanfang für den krisengeplagten Karibikstaat entspringen kann, ist
derzeit unwahrscheinlich. Auch die von der provisorischen Wahlbehörde
angekündigte Neuauszählung der Stimmen dürfte die Gemüter kaum
beruhigen: Verfehlt der Regierungskandidat Jude Célestin die
Stichwahl, werden seine Truppen mobil machen. Bleibt es dabei, dass
Michel Martelly vom Entscheidungsgang ausgeschlossen bleibt, werden
dessen Anhänger weiter Sturm laufen. Der Vorschlag der Organisation
Amerikanischer Staaten, eine Stichwahl mit drei Kandidaten
durchzuführen, hat noch den größten Charme. Doch selbst wenn sich
alle darauf einlassen sollten: Kommt es bei der Stichwahl am
16. Januar zu ähnlich schweren Manipulationen wie beim ersten
Durchgang, wird daraus kein Sieger mit der notwendigen Legitimität
hervorgehen. Was Haitis neue Regierung aber vor allem benötigt, ist
Legitimität – bei der eigenen Bevölkerung ebenso wie bei der
internationalen Gemeinschaft. Denn nur auf diesen beiden Säulen kann
ein Wiederaufbau des erdbebenzerstörten und zudem cholerageplagten
Landes gelingen. Die USA, die UNO und auch die EU wollten den
Urnengang ungeachtet von Trümmern und Seuche unbedingt, um endlich
den bisherigen Präsidenten René Préval loszuwerden, den sie als das
größte Hindernis für den Wiederaufbau des Landes sehen. Ausgemacht
ist das nicht. Préval hat 2005 einen bereits kaputten Staat
übernommen. Er konnte die Abwärtsspirale nicht bremsen. Ein
Patentrezept aber hat niemand.

Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion / CvD

Telefon: 030/2978-1721