Neues Deutschland: Zum NATO-Gipfel

Es war fast wie immer bei NATO-Gipfeln: Am Anfang
verpasste Italiens Regierungschef Berlusconi die Eröffnungszeremonie,
am Ende feierte sich der Nordatlantik-Pakt als erfolgreichstes
Militärbündnis der Geschichte. In Lissabon kam wieder ein
»Meilenstein« hinzu. Wirklich? Die NATO versucht mit einem neuen
Strategischen Konzept, ihren Platz im 21. Jahrhundert zu bestimmen.
Natürlich darf man mit Blick auf Russland hoffen, dass der Kalte
Krieg endgültig zu den Akten gelegt wird. Sicher ist das aber so
wenig wie die friedensstiftende Wirkung einer Raketenabwehr in
Kooperation mit Moskau. Der Krieg am Hindukusch geht unter dem
Deckmantel eines schrittweisen Abzugs bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag
weiter. Das Bekenntnis zur Abrüstung ist hohl, wenn man an der
atomaren Abschreckung festhält und zwei Drittel der globalen
Militärausgaben verantwortet. Und auch künftig will die NATO in der
Lage sein, mit großen und kleinen Kriegen gleichzeitig
Machtambitionen und geostrategische Interessen außerhalb des
Bündnisgebietes durchzusetzen. Cyber-Attacken aus dem Internet sind
da nur Marginalien. Dass man in Zukunft auch politisch Konflikte
lösen will – in Afghanistan könnte man sofort anfangen. Antworten auf
die aus globaler Ungerechtigkeit, Flüchtlingselend und Klimawandel
erwachsenden Risiken dieses Jahrhunderts blieb die NATO in Lissabon
schuldig. Im Prinzip geht es ihr wie Berlusconi: Sie ist ein
Auslaufmodell.

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