Neues Deutschland: zu den deutsch-chinesischen Beziehungen

Die Frostphase in den Beziehungen Chinas zu den
Euroländern nach der von Peking als Demütigung empfundenen
Friedensnobelpreis-Vergabe darf als beendet betrachtet werden. Der
Deutschland-Besuch des chinesischen Vizepremiers mit Terminen bei
Merkel und Wulff zeigt an: Peking außenwirtschaftlich weiter auf
politischen Pragmatismus. Auch wenn hier das Reich der Mitte
gelegentlich über Nacht zum Reich alles Bösen wird, hat man in den
EU-Metropolen die ökonomische Sachlichkeit der Volksrepublik China
stets hochgeschätzt. Gegenseitige Versicherung ideologischer Distanz
schadet dem Geschäft offenbar kaum. Vielleicht bewahrt sie sogar vor
der Illusion, bei Verbündeten dürfe man in derlei Dingen mit
zuvorkommender oder wenigstens korrekter Behandlung rechnen. Die
Erinnerung an das Verhalten der US-Eigner gegenüber deutschen
Wünschen in Sachen Opel ist da recht hilfreich. Die Chinesen sind
mit Gaben in Europa angereist, die ihre Gastgeber politische
Miesepetrigkeiten wohl gleich vergessen ließen. Während sich die
Supereuropäer noch fetzen, wer für Eurobonds zur Rettung ihrer
eigenen Währung zahlen soll, kaufen die Chinesen bereits
Schuldverschreibungen der Krisenkranken in Athen und Madrid – in
Milliardenhöhe. Nicht aus Uneigennützigkeit – wer hätte auch das
Recht, sowas zu verlangen -, sondern unter anderem, weil ihre
Bilanzen überquellen vor immer wertloseren Dollars und sie nach
Alternativen suchen. Die Reaktionen auf Europas Finanzmärkten deuten
an, dass man dort das Engagement der chinesischen Kommunisten für
belastbarer hält als die Aussagen der letzten zehn
EU-Finanzministertagungen zusammengenommen.

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