Neues Deutschland:Überreeder

Kapitän Eggers, 69 Jahre alt, war Chef auf der
»Taipan«. Die hatten Freibeuter zu Ostern am Horn von Afrika
geentert. Die Besatzung stoppte alle Maschinen, schloss sich in der
eigens dafür eingebauten »Zitadelle« ein und wartete ab, bis
niederländische Marines die ungebetenen Gäste abholten. Sie stehen
nun in Hamburg vor Gericht und Zeuge Eggers warnt davor, die
Piratengeschichte »zu überdrehen«: Piraterie sei nun mal für Seeleute
Berufsrisiko, er sei auf See schon öfter abgezockt worden. Doch dabei
hatten die Angreifer nie geschossen.

Nun aber tun sie es – vor Somalia, vor den Seychellen. Als Antwort
feuern Kriegsschiffe auf sie. Keiner weiß, wie viele Opfer es schon
gibt. Wohl aber kann man wissen, dass Feuerwechsel und Aufrüstung das
Problem nicht lösen. Dennoch will der deutsche Reederverband die
Regierung (abermals) überreden, »bewaffnete hoheitliche Kräfte« auf
seinen Schiffe zu stationieren. Bewusst lässt man offen, ob die von
der Bundespolizei oder der Bundeswehr gestellt werden. Völker-,
verfassungs- und strafrechtliche Weiterungen werden ignoriert. Das
passt! Allzu viele deutsche Reeder flaggen zwar nicht
Schwarz-Rot-Gold, denn ausgeflaggt lassen sich Steuern, Heuer und
bisweilen sogar Sicherheitseinrichtungen – zu denen neuerdings auch
piratensichere Räume gehören – sparen. Und dennoch verlangen sie
Schutz – vom deutschen Staat, seinen Bewaffneten und den
Steuerbürgern. Wenn das nicht »überdreht« ist!

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