Neues Deutschland: Ohne Einsicht

Die Bundeskanzlerin meint, man solle den Krieg in
Afghanistan »beim Namen nennen«. Und tut sich doch schwer damit: Die
Bundeswehr würde »in Gefechten stehen – so wie Soldaten das in einem
Krieg tun«, sagte sie bei einem Truppenbesuch am Samstag in
Masar-i-Scharif. So wie?

Was deutsche Regierungspolitiker zu Afghanistan äußern, hat
inzwischen immerhin einen Beigeschmack von Wahrheit. Lange wurde die
Situation heruntergespielt, wurden die Friedensbewegung und linke
Politiker Maß genommen, wenn sie die Schönredereien von bloßer
»Aufbauhilfe« und vom »Stabilisierungseinsatz« kritisierten. Doch ist
zu erinnern, was der Grund dieses schleichenden Deutungswandels war:
Krieg, zunächst »kriegsähnliche Zustände«, herrscht im
Regierungsdeutsch, seit die Bundeswehr immer mehr eigene Opfer zu
beklagen hat. Dass deutsche Soldaten selbst auch töten und
Tötungsbefehle – wie jenen von Kundus – erteilen, wird weiterhin in
den Hintergrund gedrängt.

Doch noch Besorgnis erregender ist etwas anderes: Die Erkenntnis
des Krieges ist eine hinnehmende, keine ablehnende. Es ist Krieg?
Beendet ihn! – dieser Zusammenhang galt bisher als ehernes
moralisches Gesetz. Nun lautet es: Es ist Krieg, wir müssen
durchhalten! Und die Bundeskanzlerin sagt, sie sei nach Afghanistan
gekommen, um den Soldaten zu danken. Sie kam nicht, um sie nach Hause
zu holen. Nur wenn dies geschieht, könnte man auch Frau Merkel danken
– dass der Wahrheit die Einsicht folgt.

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