Die Entsenderichtlinie ist seit Jahren das
Paradebeispiel für Kritiker, die die EU als Projekt der Deregulierung
und Liberalisierung zugunsten des Kapitals abtun. Tatsächlich ist die
Richtlinie das größte Einfallstor für Lohndumping im Westen, das
skrupellose Firmen nutzen, um osteuropäische Arbeiter auszubeuten.
Als vor einigen Jahren die Debatte um eine Reform begann, schien es
zunächst, dass dieser Kurs noch verschärft werde. Nun aber scheint
ein Kompromiss gefunden nach dem Prinzip: »gleicher Lohn für gleiche
Arbeit am gleichen Ort«.
Die Einigung zeigt, dass in Europa mittlerweile ein etwas
sozialerer Wind weht. Insbesondere die EU-Kommission und Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron haben sich in der Frage mächtig ins Zeug
gelegt. Selbst von links kommt Lob, dass die Richtlinie ein Werkzeug
zum Schutz entsandter Arbeiter werden könnte.
Diesen Erfolg kann man nicht hoch genug einschätzen, denn nach
Schätzungen verdienen entsandte Arbeiter im Schnitt 35 Prozent
weniger als einheimische Kollegen. Allerdings zeigt diese gewaltige
Kluft auch, wie unterschiedlich die Löhne in Europa nach wie vor
sind. Auch wenn es am gleichen Ort künftig keine
Zweiklassengesellschaft mehr geben soll – in Bulgarien verdienen
Gleichqualifizierte bei gleicher Arbeit einen Bruchteil des Gehalts
ihrer Kollegen in Dänemark. Daran ändert die Reform der
Endsenderichtlinie nichts. Ohne die Herstellung gleicher
Lebensverhältnisse bleibt die europäische Einigung aber unvollendet.
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