Dass Geheimdienste keine Doppelagenten mögen, ist
ein alter Hut. Dass innenpolitisch angeschlagene Staatsspitzen ihr
Heil im außenpolitischen Amoklauf suchen, ebenso. Dass russische
Kreise ihre Finger in der Skripal-Affäre haben, ist gut möglich, wenn
auch nicht bewiesen. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass
die EU auch fast 30 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs keine wirkliche
Strategie für das Verhältnis zum Nachbarn im Osten hat. Dutzende
Konzepte, vom Gemeinsamen Haus Europa bis zum Vier-Räume-Plan, wurden
geschrieben, ein Partnerschaftsabkommen geschlossen. Ãœber die – gut
laufenden – Wirtschaftsbeziehungen gingen die Kontakte allerdings
kaum hinaus. Dafür reagierte Brüssel auf jeden Misston aus Moskau
(und davon gab es einige) pikiert. Wurden solche Verstimmungen früher
abseits der Öffentlichkeit geregelt, wird heute coram publico
eskaliert, mit Drohungen, Brandreden, Sanktionen. Bereits seit vier
Jahren sind Strafmaßnahmen der EU gegenüber Moskau in Kraft.
Selbstredend nur solche, die die Interessen europäischer Unternehmen
im Russland-Geschäft nicht wirklich beeinträchtigen. In einem solchen
Klima fällt es London leicht, die EU einzuspannen. Wenn allein nach
Indizien Anklage erhoben und verurteilt wird, ohne den Beschuldigten
auch nur anzuhören, zeigt dies vor allem eines: wie tief das
Misstrauen im Westen gegenüber dem alten Feind im Osten noch immer
ist.
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