Neues Deutschland: Abgekoppelt

Man sollte sich nicht einen Maulwurf zum König
wählen und dann klagen, dass der Straßenasphalt verboten wird. Wenn
Wirtschaftsminister Brüderle die Abkoppelung der Renten von der
Lohnentwicklung rückgängig machen will, klingt das überdies fast
einleuchtend. Doch die Abkoppelung ist kein Teufelszeug, sondern sie
war ein Gebot der Stunde, als die Krise nicht nur Nullrunden, sondern
erstmals auch ein nominelles Sinken der Renten zur Folge gehabt
hätte. Brüderle tritt ja für das Koppeln von Löhnen und Renten im
Wissen ein, dass die klägliche Entwicklung der Löhne die Renten
ramponiert, auch jetzt noch. Man tut Brüderle deshalb kaum Unrecht,
wenn man annimmt, dass nicht die Sorge um die Renten sein Motiv ist,
sondern die Sorge um zu hohe Renten.

Immerhin ist Brüderle mit solchen Positionen auf seinen jetzigen
Posten gelangt. Im Wahlprogramm der FDP stand: »Die private und
betriebliche kapitalgedeckte Vorsorge müssen gestärkt werden, da die
gesetzliche Rente in Zukunft nur noch eine Grundversorgung gewähren
wird.« Dass die gesetzliche Rente irgendwann nicht mehr über den
Hartz-IV-Satz hinausreichen könnte, das ist für die meisten Menschen
eine absurde und gruselige Vorstellung. Darauf aber läuft alles
bereits hinaus. Zwar abgekoppelt vom Lohn (im Falle seines nominellen
Sinkens), sind die Rentner also nicht abgekoppelt von der Krise.
Schon jetzt zahlen sie mit den von Hartz IV Betroffenen den
höchsten Anteil der Zeche.

Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1715