Neue OZ: Kommentar zu Umfragen / Regierung / Volksentscheid / Parteien

Mehr Demokratie wagen

Vox populi, vox Rindvieh – so hat CSU-Ãœbervater Franz Josef Strauß
einst über Volkes Stimme gelästert. Die Bürger über wichtige
politische Themen selbst abstimmen lassen, ganz ohne Netz und
doppelten Boden? Das war der Bundesrepublik lange Zeit nicht geheuer.
Zu tief saß der Schrecken des Dritten Reichs, zu misstrauisch waren
die Parlamentarier gegenüber „dem“ Volk, der anonymen und
unberechenbaren Masse.

Von Rindviechern spricht heute niemand mehr. Gott sei Dank, möchte
man sagen. Der Politik kann dieser Sinneswandel nur zugute kommen.
Die Politikverdrossenheit der Menschen ist ja auch eine
Politikerverdrossenheit. In unserem personengebundenen Wahlsystem
bleibt es nicht aus, dass die Wähler politische Inhalte mit
Gesichtern verbinden – nach dem Motto: Hotel-Subventionen? Dahinter
steckt doch der Westerwelle. Der, dessen Meinung oft gefragt ist,
interessiert sich mehr für Inhalte als der, der nur alle vier Jahre
an die Urne darf. Mehr mitreden können – das klingt sehr schön.

Warum aber haben dann am Sonntag so wenige Hamburger die Chance
genutzt, das Schulsystem zugunsten ihrer Kinder zu ändern? Gerade für
die sozial Schwächeren hätte es Vorteile gebracht. Aber gerade sie
fehlten – leider. Nicht jede Abstimmung ist geeignet für Volkes
unmittelbare Meinung. Grundrechte etwa sollten tabu bleiben. Dennoch
lohnt es sich, das Experiment direkte Demokratie zumindest in Teilen
zu wagen. Volksentscheide auf Bundesebene wären ein erster Schritt.

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