Neue OZ: Kommentar zu Schlachthof

Erst kommt das Fressen

Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Es war der deutsche
Dichter Bertolt Brecht, der einst mit dieser Aussage das wohlhabende
Bürgertum kritisierte, das den einfachen Leuten Moral predigen
wollte. In Wietze ist Brechts Aussage heute aktueller denn je. Wer
die Ansiedelung eines Schlachthofes verurteilt und sich nicht in
einer vergleichbar ausweglosen Situation befindet, hat das Recht zur
Kritik verloren.

Dem Bürgermeister wäre ein neues VW-Werk mit hochwertigen Autos
sicher auch willkommener als ein Schlachthof der Superlative. Die
bettelarme Kommune wartet aber seit Jahren vergeblich auf einen
solchen Investor. Dieser Schlachthof ist ihr einziger Rettungsring im
Meer der Finanznot. Mit dem Millionen-Projekt kann sich die arme
Kommune eines Teils ihrer größten Probleme entledigen: Es entstehen
neue Arbeitsplätze, es fließt mehr Gewerbesteuer – Wietze müsste
endlich kein Bittsteller mehr sein.

Den militanten Tierschützern kann man keine falsche Moral
vorwerfen. Zumindest im Zuge der Räumungsaktion nahmen sie für ihre
Überzeugung offensichtlich sogar die Gefährdung ihrer Gesundheit in
Kauf. Aber: Mit diesem militanten Protest überschreiten sie eindeutig
die Grenze zur Gewalt. Es ist das Wesen einer Demokratie, friedlich
für seine Überzeugungen zu streiten. Wer dabei auch bereit ist,
andere zu schädigen, verdient keinen Respekt, sondern die volle Härte
des Gesetzes.

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