Neue OZ: Kommentar zu Prozesse / Musik / Benaissa

Zu früh verurteilt

Der Prozess gegen Nadja Benaissa hat gestern begonnen – und hätte
ebenso gut auch gestern enden können. Denn die Öffentlichkeit hat ihr
Urteil über die No-Angels-Sängerin längst gefällt – unabhängig von
ihrem Geständnis. Durch den Druck der Medien und vermutlich auch
durch Indiskretionen im Justiz-Apparat sind lange vor dem
Prozessbeginn Vorwürfe öffentlich geworden. Die Medien müssen sich im
Fall Benaissa die Frage nach ihrer eigenen Rolle stellen.

Eine der wichtigsten Aufgaben von Zeitungen, Funk und Fernsehen
ist die Kontrolle der Mächtigen. Dazu müssen sie nachforschen,
Sachverhalte prüfen – und bewerten. Denn schließlich tragen
Journalisten Verantwortung für die Folgen: Ein zu Unrecht
ausgesprochener Verdacht lässt sich kaum mehr reparieren. Das zeigt
der aktuelle Fall: Das Ansehen des einstigen Stars ist bereits jetzt
zerstört.

Damit stellt sich auch die Frage nach der Rolle der Justiz. Wie
konnte der Name aus der Anklageschrift überhaupt an die
Öffentlichkeit kommen? Sofort drängt sich auch der Fall von
Ex-Postchef Klaus Zumwinkel auf, der vor laufenden Kameras verhaftet
wurde. Das Grundrecht der Unschuldsvermutung galt auch in solchen
Fällen faktisch nicht mehr. Dabei sollten doch Urteile allein dem
Richter vorbehalten sein.

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