Erst abwägen, dann zahlen
Die Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann handelt richtig,
wenn sie sich bis zum nächsten Jahr Zeit lassen will mit ihrer
Empfehlung für Entschädigungen. Zwar ist es verständlich, wenn manche
Opfer eine rasche Lösung vom Runden Tisch der Bundesregierung
erwarten. Doch könnte sich ein überstürztes Vorgehen schädlich
auswirken. Denn eine finanzielle Lösung muss gründlich bedacht sein,
wenn sie wenigstens symbolisch das häufig lange nachwirkende Leid der
Opfer anerkennt.
Generell stellen sich bei dem komplexen Problem gleich mehrere
Fragen. Unter anderem ist zu klären, wer welche Summen in den Fonds
zahlen und wie viel Geld ein Opfer erhalten sollte. Gefragt wären bei
einer Entschädigung nicht nur die weltlichen und kirchlichen
Institutionen, sondern auf jeden Fall auch die Täter selbst –
zumindest, sofern sie finanziell zu Zahlungen in der Lage sind.
Unbestritten sollte sein, dass ein Bistum, ein Orden oder ein
Internat die Kosten für die Therapie übernimmt, damit ein Opfer seine
Traumatisierungen verarbeiten kann. Dies geschieht zum Teil bereits.
Wenig sinnvoll wären gestaffelte Zahlungen, denn dies würde zu
einer unnötig bürokratischen Einzelfallprüfung führen. Die
Entschädigung muss zudem so gestaltet sein, dass sie nicht den
missverständlichen Eindruck hinterlässt, die Opfer erhielten nun ein
Schweigegeld. Ohnehin war vielen, die sich in den vergangenen Monaten
gemeldet haben, nicht in erster Linie an einer Entschädigung gelegen.
Sie drängten vielmehr zunächst darauf, dass man ihnen nach etlichen
Jahren endlich zuhört und ihren erschütternden Schilderungen des
Erlittenen Glauben schenkt.
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