Italien war schon in der Vergangenheit mehrfach
ein politisches Laboratorium. Benito Mussolini machte den Faschismus
zur Staatsdoktrin und wurde bald von Adolf Hitler kopiert, mit
bekanntem Ausgang. Der Medienunternehmer Silvio Berlusconi führte in
Europa den Populismus ein, der unter anderen machtpolitischen
Umständen heute von US-Präsident Donald Trump weitergeführt wird. Es
ist gut möglich, dass von Italien aus bald ein weiterer
bahnbrechender politischer Laborversuch seinen Anfang nimmt. Bei den
Parlamentswahlen am Sonntag erreichte die populistische und
systemkritische Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Einzigartigkeit auf
der politischen Weltbühne darstellt, rund 32 Prozent der Stimmen und
wurde damit zum klaren Wahlsieger. Die herkömmlichen Parteien wurden
von den Wählern abgestraft. Gewünscht ist offenbar eine neue,
umstürzende und auf dem Papier basisdemokratisch geführte Kraft,
deren bislang sehr vage politische Konturen sich demnächst schärfen
müssen. Wer genau diese Fünf Sterne sind, wird sich in den kommenden
Wochen zeigen, wenn es um den Versuch geht, eine Regierungsmehrheit
zu bilden. Alleine kommen die Schützlinge des Komikers Beppe Grillo
nicht auf die notwendigen Mandate. Die Italienwahl hat als eines der
ersten Ergebnisse ein Misstrauensvotum gegenüber der EU in ihrer
heutigen Form dekretiert. Die „Grillini“ wollen die europäischen
Spielregeln verändern, das hat auch der zweite Wahlsieger, die
rechtspopulistische Lega angekündigt. Die Lega, die früher den Zusatz
„Nord“ trug und ihre Stammwähler in Norditalien hat, erreichte
italienweit etwa 18 Prozent der Stimmen. Damit übernimmt die Partei
von Matteo Salvini die Führung im rechten Parteienspektrum. Nimmt man
die Stimmen der beiden Protestparteien zusammen, dann verlangen
mindestens 50 Prozent der italienischen Wähler eine Kurskorrektur in
Brüssel. Dieses Votum der drittgrößten Volkswirtschaft der EU ist ein
weiterer Schub für die baldige Veränderung der EU-Parameter. Für
Italien steht in den kommenden Wochen die Frage im Vordergrund, ob
die Bildung einer von den Fünf Sternen und ihrem Spitzenkandidaten
Luigi Di Maio geführten Regierung gelingt. Es wäre einen Versuch
wert. Erstens gibt es nach diesem Wahlergebnis keine Alternativen.
Das Mitte-Rechts-Lager hat keine Mehrheit, Mitte-Links erst recht
nicht. Die Verantwortungslosigkeit vieler italienischer Politiker in
den vergangenen Jahrzehnten hat das Unbehagen gegen die politische
Klasse sukzessive vergrößert. Das Wahlergebnis ist die Folge dieser
Enttäuschung. Es wäre aus verschiedenen Aspekten heraus
wünschenswert, dass dieser oft blinde Protest sich nun in
Verantwortung umwandeln kann. Die Grillini sind keine „gefährliche
Sekte“, als die sie Ex-Premier Silvio Berlusconi bezeichnete. Man
kann sie hingegen als Mischung aus Piratenpartei und Grünen
charakterisieren, der ursprünglich vor allem Umweltschutz und
Digitalisierung am Herzen lagen. Diese Phase ist allerdings überholt.
Die Fünf Sterne stehen heute für eine neue, ungewohnte Form der
politischen Willensbildung mit basisdemokratischen Ansätzen und
vielen Unzulänglichkeiten. Ihre Anliegen reichen vom Sozialen über
Transparenz im Politikbetrieb bis hin zur Eindämmung der Immigration.
Dass die Vernunft auch bei Polit-Anfängern einkehren kann, zeigt die
Tatsache, dass von dem früher anvisierten Referendum über den
Euro-Austritt Italiens keine Rede mehr ist. Gleichwohl kämen mit der
Fünf-Sterne-Bewegung Dilettanten an die Macht. Fünf Jahre Erfahrung
im Parlament, die die bisherigen Grillo-Parlamentarier vorweisen
können, bringen nicht zwangsläufig weitsichtige Staatsmänner hervor.
Dazu ist festzuhalten, dass auch die jüngere italienische Geschichte
nicht immer von vertrauenswürdigen Persönlichkeiten geprägt wurde.
Das beste Beispiel dafür ist Silvio Berlusconi, der seit 1994 mehrere
Möglichkeiten verwirkte, Italien zu reformieren.
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