Mittelbayerische Zeitung: Die EU muss reagieren

Das neue ungarische Mediengesetz entzieht der
Pressefreiheit in dem EU-Land die Grundlage. Da wird qua Verfassung
(!) ein Medienrat eingesetzt, dessen Mitglieder Marionetten der
Regierung sind – genauer: des rechtspopulistischen
Ministerpräsidenten Viktor Orban. Die Wächter von Orbans Gnaden
sollen öffentliche wie private Medien kontrollieren. Zum Maßstab
erklärt das neue Gesetz eine ausgewogene Berichterstattung, es
verbietet politische Propaganda und droht bei Zuwiderhandlung
empfindliche Geldstrafen an. Die Begrifflichkeiten sind dabei so
schwammig gehalten, dass Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist. Im
Klartext bedeutet die Vorgabe nichts anderes als die Androhung: Wer
nicht spurt, wird ruiniert. Dieses Gesetz ist für ein demokratisches
Land ein Armutszeugnis, ja: ein Skandal. Ist Ungarn noch ein
demokratisches Land? Viktor Orban regiert in Budapest seit einem
guten halben Jahr mit verfassungsändernder Zweidrittelmehrheit.
Seither baut er den Staat im Eiltempo nach seinen Vorstellungen um.
Das beginnt bei nationalistischen Auswüchsen wie dem geplanten
Zen-tralregister für Auslandsungarn, die künftig mit magyarischer
Agitation an die Heimat gebunden werden sollen. Und es endet bei dem
Willkürakt der Verstaatlichung privater Rentenversicherungen. Nun
gilt es festzuhalten: Die Wahlen in Ungarn waren nachgewiesenermaßen
demokratisch. Seine Zweidrittelmehrheit hat Orban einzig und allein
dem Komplettversagen der sozialistischen Vorgängerregierung zu
verdanken. Die monatelangen Attacken linksintellektueller
Scharfmacher, die Orban mit Hitler oder Mussolini in einem Topf
werfen, sind völlig überzogen. Der Rechtspopulist bastelt an einem
paternalistisch-autoritären, nicht an einem faschistischen System.
Dennoch ist es höchste Zeit, dass die EU eine unmissverständliche
Botschaft nach Budapest sendet: Ihr seid dabei, unseren Wertekanon zu
verraten. Ob diese Ansage einen Viktor Orban beeindrucken würde, mag
dahingestellt bleiben. Fakt ist aber, dass sich Brüssel derzeit aus
einem einzigen Grund um klare Worte herumdrückt: Ungarn übernimmt am
1. Januar die Ratspräsidentschaft. Geschwächt von der Euro-Krise,
wäre eine Führungskrise das Letzte, was die EU brauchen könnte. Das
Allerletzte aber wäre ein Antidemokrat als Ratspräsident.

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